Brummen und rechnen

Nach der Saison ist vor der Saison: Während der gerettete VfL Wolfsburg eine miserable Spielzeit in der Bundesliga sacken lässt, ist bei Absteiger 1. FC Kaiserslautern bereits Feuer unterm Dach

AUS WOLFSBURG PETER UNFRIED

Heute beginnt nicht bloß eine neue Woche, sondern mehr oder weniger auch schon eine neue Fußballsaison. WM hin oder her. „Lassen Sie uns feiern“, hatte der Wolfsburger Manager Klaus Fuchs nach dem 2:2 im Abstiegs-Play-down gegen Kaiserslautern alle Fragen abgewehrt, „am Montag reden wir dann über die Zukunft.“ Zwei Fragen stehen ab sofort für Trainer Klaus Augenthaler im Vordergrund der Unternehmensplanung, um „so eine Saison nicht mehr zu erleben“. Erstens: „Was ist zu tun?“ Zweitens: „Was ist möglich?“

Zur Beantwortung von Zweiterem muss man warten, bis VfL-Besitzer VW sich mal äußert. Die Antwort auf Frage 1 ist klar: Viel ist oder wäre zu tun. Sehr viel. Das fängt bei Diego Klimowicz (31) an. Der argentinische Stürmer ist für VfL-Verhältnisse herausragend. Er erzielte 12 von 33 VfL-Toren, das letzte war der zweite Treffer gegen Lautern. „Es war ein guter Moment, um ein Tor zu machen“, sagte Klimowicz. Und nun? Er hat noch ein Jahr Vertrag. Er will seine Karriere aber bei einem Klub beenden, der ihm einen Dreijahresvertrag gibt. „Ich möchte bis zum Karriereende bleiben“, sagt er, „aber es ist nicht meine Entscheidung.“

Dass der VfL Wolfsburg auch ein zehntes Jahr in der Fußballbundesliga spielen wird, ist zu einem guten Teil auf die Schwäche des 1. FC Kaiserslautern zurückzuführen. Erstens grundsätzlich, zweitens im alles entscheidenden Spiel. Das 2:2 reichte dem VfL, und es war auch mehr als verdient, aber im Spiel wechselten gute Phasen mit solchen, in denen das Team um den Abstieg zu betteln schien. Kaiserslautern hatte ein klares Konzept und Altintop (oder war das dasselbe?), das durch dessen frühes 0:1 (20.) bestätigt und gestützt wurde. Doch wie es die einen erhofften, die anderen befürchteten, war nach einer Stunde nichts mehr im Köcher des FCK, weder auf dem Platz noch auf der Bank.

Augenthaler hatte dagegen in der Pause eine personelle und taktische Veränderung vorgenommen, die es erlaubte, die Ordnung zu halten und doch auf mehr Offensivzweikampfstärke zu spekulieren. Er brachte für die linke Bahn den wenig bekannten Cedric Makiadi (22) statt Hans Sarpei. Und? Tja, so ist Fußball. Das 1:1 erzielte Makiadi selbst (66.), das 2:1 von Klimowicz (69.) bereitete er perfekt vor. Heute ist Makiadi, wenn man so will, Geschichte: Der Mann, der Wolfsburg gerettet hat. Es ist übrigens nicht so, dass er aus dem Nichts gekommen wäre. Er ist seit 2002 in Wolfsburg. Wurde beim VfB Lübeck als Jugendlicher gescoutet. Geboren in Kinshasa. Im Verlauf der Rückrunde hatte Augenthaler ihn als Alternative für die linke Seite aufgebaut.

Aber, sagte Makiadi, „dass ich hier am 34. Spieltag das Tor schieße, hätte ich auch nicht gedacht.“ Es sprach tatsächlich nichts dafür. Es war sein 1. Bundesligator. Ob es Augenthalers „beste Einwechslung aller Zeiten“ war, wollte die stets an Superlativen interessierte Wolfsburger Lokalpresse wissen. „Suchen Sie es sich raus“, brummte Augenthaler. Überhaupt blieb er selbst für seine Verhältnisse sehr unterkühlt. Nach Spielende raste er umgehend in die Kabine (wg. Nikotinabhängigkeit) und musste sich später richtig aufraffen, um darauf hinzuweisen, dass „ich nicht der Mann bin, der sich gern feiern lässt“.

Man ist auch im Nachhinein so ein bisschen ratlos, was die Rückrunde betrifft: Hätte der im Januar eingestiegene Augenthaler es gar nicht so weit kommen lassen dürfen? Manager Fuchs sagt: „Es war ganz, ganz schwer, mit dieser Mannschaft nicht abzusteigen.“

Das gilt in ungleich größerem Maße für Kaiserslautern, dessen kontinuierliche Abwärtsentwicklung zu einem logischen Ergebnis geführt hat. Der Schmerz in Kaiserslautern ist deshalb so groß, weil Trainer Wolfgang Wolf seit Amtsantritt das Team und auch das Umfeld reanimiert hatte. Eigentlich eine optimale Voraussetzung, um die 2. Liga mit Rückenwind anzugehen. Wie groß die Sorgen von Wolf sind, dass die ökonomische Situation das nicht zulassen könnte, ist seit Samstag offensichtlich. Während der scheidende Vorstandsvorsitzende Jäggi behauptete, dass sowohl die Strukturen stimmen als auch „Geld da“ sei, beschwor Wolf das Gegenteil. Er kenne den „Etat gut“. Der sei „ausgereizt“. Er, Wolf, habe aber erst 12 Spieler unter Vertrag, davon diverse in dieser Saison von ihm herausgebrachte Jungprofis. Das gehe nicht. „So können wir die 2. Liga nur schwer halten“, meinte er. Und: „Ich brauche die Perspektive, sonst bin ich weg.“ Wolf weiß, wie schnell ein Trainer Rückendeckung verliert. Im Klartext sagt er, dass er auf dem Pulverfass Kaiserslautern zwei Möglichkeiten hat: entweder gehen – oder trotz aller Beteuerungen dann doch, ruckzuck!, gefeuert werden. Klar ist: Wolfs persönliche Perspektive auf einen Bundesligaplatz ist besser als die des 1. FC Kaiserslautern.