LESERINNENBRIEFE
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Vordergründiger Rechtsfrieden

■ Betr.: Freispruch für Justiz und Politik, taz bremen v. 02. 11. 2013

(...) Herr Condé hat die Risiken der staatlichen Obhut in Bremen mit seinem Leben bezahlt. Selbst wenn er schwerstkriminell gewesen sein sollte, hätte er nach meinem Verständnis unseres Rechtsstaats und in Kenntnis unseres Grundgesetzes nicht „mit körperlichen Nachteilen rechnen“ müssen. Der Brechmitteleinsatz zur Beweismittelsicherung wurde 2004 aus medizinischer und juristischer Perspektive kritisch bewertet. Das hatte in einigen Bundesländern (z. B. Bayern) bereits frühzeitig zum Verzicht auf die Prozedur geführt. Die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Verantwortlichkeiten in Bremen wäre 2005 das politische Gebot der Stunde gewesen. Danach war zu entscheiden, ob und gegen wen strafrechtliche Schritte einzuleiten waren. Mit der Anklage des Arztes des Beweissicherungsdienstes als letztem Glied in der Handlungskette war der alleinige „Sündenbock“ 2005 voreilig gefunden. Nach Einstellung des Strafverfahrens ist der Rechtsfrieden vordergründig wieder hergestellt. Können/wollen/dürfen wir akzeptieren, dass sich andere direkt oder indirekt Beteiligte an den skandalösen Ereignissen ab dem 27. 12. 2004 jetzt – wie in der Vergangenheit – einfach wegducken? HERBERT RASCHE, BREMEN

Staatstragende Hexenjagd

■ Betr.: Freispruch für Justiz und Politik, taz bremen v. 02. 11. 2013

Ein bitteres Ende? Sicher. Denn kaum hatte man den einen der Hintermänner vor Gericht als unglaubwürdig erlebt, wollte man (in der Bremer Politik?) nicht viel mehr wissen. Man hatte ja einen, der getan hatte, wie man ihm auftrug, der dann die ganze juristische Last der Katastrophe tragen sollte, und der wurde nun, da er schwer krank ist, „entlastet“ durch die Verfahrenseinstellung. Ein bitteres Ende – auch für Igor V. Und Politik und Justiz können wieder unbeschwert tun, wie es ihnen beliebt. Sollte mal wieder etwas „schiefgehen“, nun, man wird schon wieder einen kleinen Mann finden, den man „hängen“ kann. Traurig, daß eine sich als fortschrittlich empfindende Presse an der staatstragenden Hexenjagd teilnimmt. (...)  ULRICH NIEBUHR, taz.de

Placebo statt Aufarbeitung

■ Betr.: Bremer Schulunterricht soll überprüft werden, taz bremen v. 09/10. 11. 2013

(...) Rotgrün will nun ausgerechnet die unterrichtsferne Schulaufsicht damit beauftragen, den LehrerInnen zu erklären, wie guter Unterricht geht und die Schwarzen wollen viel Geld für externe Berater rausschmeißen. Dabei sind die Ursachen für das schlechte Abschneiden Bremens doch seit langem bekannt, ohne dass Politik hierauf auch nur ansatzweise angemessen reagiert hat. Da ist zum einen der hohe Anteil von Kindern mit Migrations- und Armutshintergrund. (...) Zum andern ist das bremische Schulwesen strukturell unterfinanziert, denn mit einem deutlich überdurchschnittlichem Anteil von Kindern mit Bildungsbarrieren ist es finanziell nur durchschnittlich ausgestattet bei überdurchschnittlichen Ansprüchen (z.B. Inklusion). Schließlich sind die Bremer LehrerInnen strukturell überfordert. Bei der jüngsten Arbeitsschutzkonferenz des DGB wurde deutlich herausgearbeitet, dass die Aufgabenfülle in der dafür zur Verfügung gestellten Arbeitszeit durch die Lehrkräfte überhaupt nicht erfüllt werden kann, was natürlich zu Lasten der Qualität geht. Statt gemeinsam mit den Schulen diesen strukturellen Verstoß gegen das Arbeitsschutzgesetz aufzuarbeiten, (...) wird wieder einmal Placebo serviert.  HELMUT ZACHAU, BREMEN