Der Sündenbockjäger

RÜCKFALL Dortmund gibt in Wolfsburg fahrlässig das Spiel aus der Hand. Für Trainer Jürgen Klopp ist aber wieder der Schiedsrichter schuld an dem Schlamassel

„Das war ein Spiel mit vielen Menschen, die am Boden liegen“

SPIELANALYTIKER JÜRGEN KLOPP

AUS WOLFSBURG CHRISTIAN OTTO

Die großen Aufgeregtheiten nach dem Schlusspfiff, der ihre zweite Saisonniederlage besiegelte, werden ihn noch eine Weile begleiten. Hat sich Jürgen Klopp im Dialog mit dem Schiedsrichter schon wieder im Ton vergriffen? „Ich war relativ ruhig“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund und klang dabei leicht aggressiv. Der 1:2-Niederlage des Tabellenzweiten beim VfL Wolfsburg waren hitzige Debatten über zwei Szenen in der Schlussphase gefolgt. Zweimal fühlte sich BVB-Torjäger Robert Lewandowski vom Wolfsburger Ricardo Rodriguez unfair bedrängt. In beiden Szenen entschied sich Referee Dr. Jochen Drees, keinen Elfmeter zu pfeifen. Die Folge: kurz nach dem Schlusspfiff stand ihm ein impulsiver Mann mit erhobenem Zeigefinger gegenüber.

Die Aufarbeitung eines Spiels, das die Dortmunder nach ihrem Führungstreffer durch das herrliche Freistoßtor von Marco Reus (45.) noch aus der Hand gegeben hatte, war ein äußerst schwieriges Unterfangen. Denn Klopp fühlt sich zu Unrecht kritisch beleuchtet und begann in der Pressekonferenz genervt die Fragen an ihn zu sortieren und zu sezieren: „Ich verstehe das nicht. Ihr fragt gar nicht nach Nevin.“ Bevor die Fragen nach Innenverteidiger Nevin Subotic, der sich einen Kreuzbandriss zugezogen hat und mehrere Monate ausfällt, gestellt wurden, sollte es aber nun einmal um das Verhalten von Klopp gehen. Der hatte in der Tat erst den aufgebrachten Lewandowski vom Schiedsrichter weggezogen, um dann aber selbst in die Debatte einzusteigen. „Ich wollte ihm die Hand geben. Das hat ihn wohl ein bisschen erschreckt“, sagte Klopp.

Das Dilemma für Klopp bleibt: Mit seinen emotionalen Auftritten und Analysen schafft er es immer wieder, von Fehlern seiner Mannschaft abzulenken und den Druck vom Team zu nehmen. Seitdem der 46-Jährige aber für sein Verhalten in der Champions League mit zwei Spielen Verbannung auf die Tribüne bestraft worden ist, richten sich die Kameras noch länger und häufiger auf ihn. Wahrscheinlich ist Klopp schon wieder in seinen Schimpfmodus zurückgekehrt, weil er sich zu Unrecht an den Pranger gestellt fühlt. Der Lautsprecher des BVB ist der Auffassung, dass man ihn nur noch befragt, damit daraus eine Schlagzeile entsteht. „Das versuche ich zu umgehen“, sagte Klopp.

Bei all dem Geplänkel ging fast ein wenig unter, dass Dortmund ein Spiel bei einem starken Gegner verdient verloren hatte. „Wir haben Fehler gemacht, die bestraft worden sind“, sagte Nuri Sahin. Auch Torhüter Roman Weidenfeller gestand, dass man zu viele Ecken und Freistöße gegen sich habe entstehen lassen. Einen Freistoß nutzte Rodriguez, um mit einer Hereingabe an Freund und Feind vorbei das 1:1 zu erzielen. Mit dem 2:1 von Ivica Olic, dem in der 69. Minute ein herrlicher Distanztreffer gelang, waren die Dortmunder endgültig für ihre Nachlässigkeiten bestraft worden.

Die Mehrheit der Dortmunder Spieler hüllte sich nach der Partie in frustriertes Schweigen. Ihre bittere Woche mit der 0:1-Pleite in der Champions League gegen Arsenal London endete mit einem weiteren herben Rückschlag in Wolfsburg. „Ich sage seit Monaten nichts“, meinte Nationalspieler Matts Hummels bei seinem Abgang. Nach Foulspielen in Serie und einem Griff an den Hals von Gegenspieler Patrick Ochs hatte Hummels großes Glück, dass er nach einer Gelben Karte in der 24. Minute nicht vorzeitig zum Duschen geschickt wurde. Vielleicht wollte sein Trainer auch davon und anderen Fehlern ablenken. „Das war ein Spiel mit vielen Menschen, die am Boden liegen“, sagte Klopp. Auch das dürfte ein versteckter Hinweis darauf gewesen sein, dass der Schiedsrichter bei so mancher Freistoß-Entscheidung gegen Hummels und Co. nicht richtig gelegen haben soll.