aus der mensa: schluckspechte und nachteulen von HARALD KELLER
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Die Mensamitarbeiterinnen heben geschäftig Entenkeulen auf Teller, begießen sie mit Soße, schieben sie in die Durchreiche. In Zeiten, in denen Hennen rennen, weil gefiedertes Vieh unter Generalverdacht steht, bleibt ein solches Nahrungsangebot nicht unkommentiert. „Habe ich diese Tiere nicht gestern noch im Fernsehen gesehen?“, fragt Droll misstrauisch beim Blick auf die dürren Gebeine. Womit nicht die Gliedmaßen anorektischer Studentinnen gemeint sind. „Bestimmt“, bestätigt Strunk. „Und war da nicht die Rede vom Keulen?“ Notthoff drängelt von hinten: „Deswegen heißt es ja Entenkeulen. Macht mal voran, ich habe Hunger.“

Die Mehrheit der Tischgenossen lässt sich das Tafeln nicht vergällen, sondern freut sich, dass die Geflügelpreise sinken. Dennoch bedürfen die aktuellen Meldungen selbstverständlich der Erörterung. Mit Blick auf Droll und Notthoff stellt Geierschnabel die Frage, ob die Vogelgrippe auch eine Gefahr für Schluckspechte und Nachteulen darstellt. „Klar“, vermeldet Droll. „Darum solltest du ganz vorsichtig sein, Geierschnäbelchen. Denn schräge Vögel erwischt es immer als Erstes.“

Klumpe ächzt verächtlich: „Kalau ist überall.“ – „Die guten alten Witze müssen doch gepflegt und an die Nachgewachsenen weitergereicht werden“, wehrt sich Geierschnabel. Unterstützung erhält er von Old Wabble. „Stimmt!“, trötet der korpulente Altstudent. „Zum Beispiel dieser: Warum steht ein Pilz im Wald?“ Klumpe blickt irritiert, da erfolgt schon die Aufklärung: „Weil die Tannen zapfen.“ Wabble weiß zu berichten, dass er kürzlich mit zwei befreundeten Linguisten im Kino war, die den zauselbärtigen Witz tatsächlich noch nicht kannten.

Für Strunk verharrt das Gespräch schon viel zu lange beim selben Thema und er grätscht dazwischen. „Was sind eigentlich noch mal Linguisten?“ Geierschnabel wippelt aufgeregt, denn er kennt die Antwort. „Linguisten sind Menschen, die einfachste Sachverhalte in verschlungene und unverständliche Sätze kleiden, sich und ihr Tun damit dem niederen Volke entziehen und dafür mit akademischen Titeln belohnt werden.“

„Uff.“ Droll ist beeindruckt. Strunk hat noch etwas auf dem Herzen. „Du bist mit Linguisten befreundet?“, will er von Wabble wissen. „Neulich hast du doch noch behauptet, du hättest keine Freunde.“ Wabble windet sich. Droll mischt sich ein. „Freunde kennt er nur, wenn er dringend Umzugshelfer oder sonstige Hiwis braucht.“ Das Gemurmel der Umsitzenden gibt ihm Recht.

Eine Stichelei mit Wirkung: Zwei Wochen später bittet Wabble die Tischgenossen zu einem Gelage. Die Nährgemeinschaft wittert eine Party nach Wabble-Art, mit einem frugalen Getränke- und Menüangebot, unterteilt nach Umzugshelfer, also Freunde beziehungsweise befreundete Umzugshelfer. Wobei Letztere im Separee vom Feinsten serviert bekämen, alle Übrigen aber mit Zweitklassigem abgespeist würden, so die schlimmen Befürchtungen. Doch völlig unbegründet – Wabble tischt derart üppig und schmackhaft auf, dass einige bereits verabschiedete Partygäste vor Hunger grunzend in später Nacht wiederkehren, um noch die letzten Reste zu vertilgen. Da kann keine Mensaküche mithalten.