Moralischer Meister

Silvio Berlusconi, Besitzer des AC Mailand, reklamiert die Meistertitel der letzten zwei Jahre für seinen Club

ROM dpa ■ Im wahrscheinlich größten Skandal in der Geschichte des italienischen Fußballs steht Juventus Turin trotz seines 29. Titelgewinns vor dem Absturz in die Zweitklassigkeit. Der Jubel über den entscheidenden 2:0-Sieg gegen Reggina Calcio blieb dem Rekordmeister (91 Punkte) im Halse stecken. Der im Titelduell trotz seines 2:1-Sieges gegen den AS Rom knapp geschlagene AC Mailand (88) erkennt Juve nicht als neuen Meister an. „Wir fordern die zwei Meistertitel, die uns zustehen“, erklärte Milan-Besitzer Silvio Berlusconi am Sonntag. „Wir sind es leid, diese Ungerechtigkeiten hinnehmen zu müssen“, sagte Berlusconi und erklärte Milan zum moralischen Meister.

Unmittelbar nach dem Titelgewinn kündigte der mutmaßliche Strippenzieher der Spielmanipulationen, Juve Manager Luciano Moggi, seinen Rücktritt und den Rückzug vom Fußball an. „Ab morgen bin ich nicht mehr Manager von Juventus und seit heute Abend ist Fußball nicht länger meine Welt“, sagte Moggi und kündigte an: „Ab jetzt denke ich nur noch daran, mich gegen all die schmutzigen Sachen, die über mich gesagt wurden, zu verteidigen.“

Aberkennung der letzten beiden Meistertitel, Zwangsabstieg und Ausschluss aus der Champions League – das immer realistischer werdende Horrorszenario könnte Juve nach Schätzungen von italienischen Finanzexperten mindestens 300 Millionen Euro kosten.

„Die haben uns und 40 Millionen Italiener verarscht“, schimpfte Inter Mailands Trainer Roberto Mancini. Die Ermittlungsbescheide gegen 41 Personen seien erst der Anfang, sagte Neapels Staatsanwalt Filippo Beatrice. „Dies ist ein Skandal ohnegleichen, dagegen war der Wettskandal in den 80er-Jahren ein Lausbubenstreich“, klagte Italiens IOC-Mitglied Mario Pescante. Man empfinde „tiefen Ekel“ über den Fußballskandal, ließ sogar der Vatikan in ungewohnt scharfen Worten durch seine Zeitung L’Osservatore Romano verlauten.

Auch die Regierung ist entsetzt und wird am Dienstag einen kommissarischen Leiter an die Spitze des führungslosen Fußballverbands bestellen. Gerüchte, wonach auch Nationaltrainer Marcello Lippi in den Skandal verstrickt sei, bewahrheiteten sich nicht. Bestätigt wurde dagegen, dass nun auch der AC Mailand ins Visier der Staatsanwaltschaft Neapel geraten ist. „Wir sind aber nur die Opfer“, hieß es in Mailand.