Vietnams Bauern stehen vor dem Ruin

Die Regierung in Hanoi hat den USA große Zugeständnisse für die Zustimmung zum WTO-Beitritt gemacht

BERLIN taz ■ Vietnam wird voraussichtlich im Frühherbst der Welthandelsorganisation WTO beitreten. Am Wochenende nahm das südostasiatische Boom-Land die letzte ernsthafte Hürde und vereinbarte in Washington einen bilateralen Handelsvertrag mit den USA. Der soll im Juni in Ho-Chi-Minh-Stadt unterzeichnet und anschließend von den Parlamenten abgesegnet werden. Bis dahin muss Vietnam klären, wie und wann es der US-Forderung nachkommt, die Subventionen für seine Textilindustrie in Höhe von 4 Milliarden US-Dollar einzustellen.

Auch mit weiteren Wünschen haben sich die USA durchgesetzt: Vietnam soll seinen Markt öffnen für internationale Stromlieferanten, Finanzdienstleister und Telekommunikationsunternehmen sowie für Zeitschriften, Filme, Motorräder, Alkohol, Rindfleisch und Fleischprodukte.

Die Entwicklungsorganisation Oxfam kritisiert den Umgang der Industriestaaten mit WTO-Beitrittskandidaten. Die reichen Ländern zwängen die Entwicklungsländer, ihre Märkte für hoch subventionierte Agrarüberschüsse aus Industriestaaten zu öffnen und trieben die heimischen Bauern in den Ruin. Bereits 2004 warnte Oxfam: „Die WTO-Mitgliedschaft kann für Vietnam durchaus gewinnbringend sein. Der mögliche Nutzen wird jedoch verhindert, wenn reiche Länder nur an ihre eigenen Interessen denken, anstatt an die Lebensbedingungen armer Menschen in Vietnam.“ Vietnam könne nicht alle Hilfen für seine Bauern einstellen. Genau das aber fordern neben den USA auch Australien und China.

Der Chef des vietnamesischen Bauernverbandes Nguyen, Duc Trieu, warnt, dass Vietnams Landwirte nicht werden konkurrieren können. Lediglich bei Reis und Kaffee hätten sie eine Chance. Doch ansonsten sei die Infrastruktur so schlecht, dass inländische Bauern ihre Produkte aus den entlegenen Gebieten langsamer auf die Märkte der boomenden Städte bringen könnten als ausländischen Anbieter. Am Weltmarkt könnten sich die heimischen Landwirte schon deshalb nicht orientieren, weil 75 Prozent von ihnen keine Zeitung lesen und auch sonst keinen Zugang zu Marktinformationen hätten. Ein durchschnittlicher Agrarbetrieb in Vietnam bewirtschaftet 0,7 Hektar und funktioniert durch Selbstausbeutung aller Familienmitglieder. Immer weniger Bauernkinder gehen zur Schule.

Die Regierung in Hanoi erhofft sich von dem bereits 1995 beantragten WTO-Beitritt einen Auftrieb patriotischer Gefühle und bessere Marktbedingungen für Textilien, Schuhe, Reis und Kaffee. Doch ob die Rechnung aufgeht, ist fraglich. Denn zum einen sollen nun ja die Textilsubventionen wegfallen. Zugleich hätte Vietnam auch ohne WTO-Beitritt gute Absatzchancen für Reis und Kaffee. MARINA MAI