Offizielles Bedauern

AUS BERLIN JENS KÖNIG
UND LUKAS WALLRAFF

Die Bundesregierung hat die Notbremse gezogen, um die BND-Affäre um ausspionierte Journalisten in den Griff zu bekommen. Der Bundesnachrichtendienst darf ab sofort keine Journalisten mehr bespitzeln, um undichte Stellen in den eigenen Reihen zu stopfen. Das Kanzleramt erteilte dem Auslandsgeheimdienst gestern eine entsprechende Anweisung. Auch die Anwerbung von Journalisten zur so genannten Eigensicherung, also zum Schutz vor ungewolltem Durchsickern von Erkenntnissen an die Öffentlichkeit, ist demnach ab sofort verboten.

Wie sehr der Bundesregierung daran gelegen ist, die Affäre einzudämmen, sie gleichzeitig jedoch ohne personelle Konsequenzen zu überstehen, konnte man an den Äußerungen von Regierungssprecher Ulrich Wilhelm ablesen. Er ließ sich keinerlei Kommentar dazu entlocken, ob die jetzige Anweisung des Kanzleramtes zugleich eine indirekte Kritik an der bisherigen Praxis sei. Bis Montag galt demnach die Regelung, dass operative Maßnahmen, die Journalisten betreffen, von der BND-Spitze genehmigt werden müssen. Wilhelm verwies nun darauf, dass die Regierung einen Bericht des BND angefordert habe – und erst danach eine Bewertung der Vorgänge abgeben wolle. Er wusste zunächst nicht zu sagen, ob die neue Regelung nur für den BND oder auch für den Verfassungsschutz und den Militärischen Abschirmdienst gilt. Wilhelm gab aber immerhin zu Protokoll, dass die Bundesregierung „die Vorfälle bedauert“.

Merkels Sprecher musste sich bei seinen Äußerungen ständig auf Medienberichte beziehen. Der Bericht des Sonderermittlers Gerhard Schäfer für das Parlamentarische Kontrollgremium, der die Affäre ins Rollen brachte, ist nach wie vor als geheim eingestuft.

Die Opposition schäumte – und forderte vollständige Aufklärung. Die grüne Fraktionschefin Renate Künast hielt dem BND vor, er habe sich zu einem „Sauladen“ entwickelt. Das gesamte Parlament und nicht nur das geheim tagende Kontrollgremium müsse erfahren, „was da war“. Die frühere FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warf dem BND sogar „Stasi-Methoden“ vor. Oppositionsvertreter im Parlamentarischen Kontrollgremium wie Christian Ströbele (Grüne) und Wolfgang Neskovic (Linksfraktion) wollen sich bei der heutigen Sitzung der geheimen Runde für die Freigabe des Schäfer-Berichts einsetzen.

Selbst wenn dieser Geheimbericht veröffentlicht wird – das dürfte die Bundesregierung nicht ihrer Pflicht entheben, die politische Verantwortung für den Spitzelskandal zu klären. Wer was wann wusste, wie die Anweisungen der ehemaligen BND-Chefs Geiger und Hanning lauteten, welche Rolle der frühere Geheimdienstkoordinator Schmidbauer spielte – all diese Fragen seien weiter „dringend aufklärungsbedürftig“, sagte Ströbele der taz. Er muss es wissen. Er ist einer der wenigen, die den Schäfer-Geheimbericht kennen.