Dünnes Leitfädchen

BILDUNG Mehrfach angekündigt, zuletzt abgesagt, erscheint jetzt doch eine Verfügung, was Sexualerziehung an Schulen vermitteln soll. Wie, bleibt unklar

Stereotype gegen Homosexuelle abbauen: Wie Schulen dies erreichen können, bleibt ihnen überlassen

Sieben Jahre nach der ersten Ankündigung gibt es jetzt wieder etwas, das Lehrkräften eine Idee geben soll, was sie sich unter Sexualerziehung an Schulen im Land Bremen vorstellen sollen. Dabei hatte die vor einem Jahr zurückgetretene Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) noch im vergangenen Sommer gesagt, der alte Leitfaden aus dem Jahr 1987 werde nicht mehr neu aufgelegt, Bremen brauche diesen nicht.

Tatsächlich gibt es auch keinen Leitfaden, der detailliert auflistet, was SchülerInnen in welchen Klassenstufen über Sexualität wissen sollten und wie LehrerInnen dieses Wissen vermitteln können. Immerhin aber verschickte Jürgens-Piepers Nachfolgerin Eva Quante-Brandt (SPD) Ende Oktober die „Verfügung Nr. 59“ an Bremer Schulen. Darin informiert sie die SchulleiterInnen, dass Bremen „Kinder und Jugendliche alters und entwicklungsgemäß in der Entwicklung einer selbstbestimmten und verantwortungsvollen Sexualität im Rahmen ihrer Persönlichkeitsentwicklung unterstützen“ will. Und: Der Unterricht solle das Ziel verfolgen, „die gesellschaftlich noch vorhandenen Stereotype gegen Homo, Bi und Transsexuelle abzubauen“.

Doch wie die Schulen diese Ziele erreichen können, bleibt ihnen überlassen. Zwar listet die Bildungssenatorin in einer Anlage „Aspekte der Sexualerziehung“ auf, aber dies ist nur eine Themensammlung, die zum Teil sehr vage bleibt. „Geschlechterfrage“ heißt etwa ein Stichwort unter dem Aspekt „Fortpflanzung“. Und unter „Identität“ steht „kulturelle Unterschiede in Bezug auf Sexualität, Rolle als Mädchen oder Junge, Mann oder Frau, Fragen der sexuellen Orientierung“.

Das bedeutet, dass LehrerInnen schon von selbst auf die Idee kommen müssen, dass nicht alle Menschen strikt heterosexuell orientiert sind. Selbst wenn man voraussetzt, dass sich dieses Wissen bereits durchgesetzt hat: Dass es auch Menschen gibt, die sich weder in der Rolle „Junge“ noch „Mädchen“ wiederfinden, ist immer noch eine Nischen-Erkenntnis. Dabei findet die Bildungssenatorin, dass zur „geschlechtlichen Vielfalt“ Trans und Intersexualität gehört.

Diese Themen fehlten in dem alten Leitfaden vollkommen, Homosexualität wurde darin als problembehaftet dargestellt, weswegen unter anderem das Rat und Tat-Zentrum für Schwule und Lesben seit Jahren eine Überarbeitung gefordert hatte.

Dafür gab das 53 Seiten starke Heft sehr konkrete Hinweise, wie und mit welchen Lernformen LehrerInnen ihren Unterricht gestalten, und auch, welche Literatur sie zu den Themen benutzen können. Für solche Details verweist die Bremer Bildungssenatorin auf eine Schriftenreihe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Band 1 ist 2012 erschienen, er erläutert die konzeptionellen Grundlagen. Band 2 ist für 2014 angekündigt.

EIKEN BRUHN