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WAS MAN TUN KANN, WENN EINEM DER SCHLAUE KUMPEL EINE ANTIKOLONIALISTISCHE READING LIST VERORDNEN WILLInternalisierte weiße Penisse

JACINTA NANDI

Mein kluger Kumpel Sebastian ist entsetzt von mir, weil ich nicht genug weiß über Kolonialismus.

„Wir haben das in der Schule nicht gehabt“, rechtfertige ich mich. „Immer nur Holocaust, Holocaust, Holocaust, dann wie tapfer die Ostlondoner waren, als ihr uns gebombt habt, und ein klein bisschen Native Americans und so, wie sie ausgerottet worden sind, dann König Heinrich der Achte und seine sechs Frauen und Bloody Mary.“

„Es ist nicht okay, dass du so ignorant bist, Jacinta“, sagt er.

Er sagt: „Haben deine Großeltern nie mit dir drüber gesprochen?“

Ich sage: „Nee, ich denke, sie fanden das in Ordnung, ehrlich gesagt.“

Sebastian schüttelt den Kopf.

„Ich finde Kolonialismus voll scheiße!“, sage ich. „Ich habe das George-Orwell-Buch mit dem Elefanten gelesen. Oder war es eine Giraffe? Aber ich bin mit George Orwell voll einverstanden! Ich weiß nur nix drüber! Ich gehe davon aus, dass der Kolonialismus scheiße gewesen ist.“

„Ich schreibe dir eine Reading List auf“, sagt er mir. Mein Herz sinkt. Irgendwie muss ich ihn jetzt ablenken, sonst macht er das tatsächlich: eine Liste voller komplizierter Bücher über Kolonialismus aufschreiben. Ich kenne ihn, der ist manchmal ein bisschen pervers.

Ich sage: „Sebastian, weißt du was? Ich muss dir was gestehen.“

Er sagt: „Was?“

Ich sage: „Ich glaube, dass ich eine Sexual Racist bin.“

Sebastian nickt interessiert.

„Ja“, sagt er. „Es ist gut, dass du das erkennst, und ich glaube, dass du recht hast. Du bist voll die Sexual Racist.“

Ich sage: „Ich bevorzuge weiße Jungs, weißt du. Im Bett. Ich liebe bei weißen Jungs, bei dünnen weißen Jungs, ne, diese Haare, die auf der Rückseite vom Hals kommen. Weißt du, was ich meine? Diese sanften Haare. Das haben nur weiße Jungs. So sanft und seidig, die Haut da ist auch so weich und cremig, und immer, wenn ich mit weißen Jungs ficke, fasse ich sie da an und denke: mmmmh. Du bist so schön und weiß.“

Sebastian sagt: „Ja.“

Ich gucke ihn an. Er scheint das voll gut zu akzeptieren.

„Und die Haut auf ihren Hüften ist so schön. Wenn ihre weiße Haut so eng auf ihren Hüften sitzt! Ich muss die immer wieder anfassen. Ich finde es so komisch, weil dicke weiße Männer so hässlich aussehen, wenn sie nackt werden, ne, aber nackte, dünne, weiße Jungs ziemlich das Hübscheste auf der Welt sind, was man angucken kann.“

Sebastian seufzt wehmütig.

„Ich bin auch ein Sexual Racist“, sagt er.

DIE FÜNFTAGEVORSCHAU | KOLUMNE@TAZ.DE

Mittwoch Matthias Lohre Konservativ

Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe

Freitag Jürn Kruse Fernsehen

Montag Barbara Dribbusch Später

Dienstag Deniz Yücel Besser

„Du bist ein Sexual Racist?“

„Ja“, sagt er. Er nickt nachdenklich und sagt: „Ich liebe weiße Penisse.“

Ich sage: „Was?“

Er sagt: „Ich finde weiße Penisse so schön. Sie sehen so schön aus. Sie riechen auch so gut.“ Er kaut an der Unterlippe. „Es macht so viel Spaß, an weißen Penissen zu lutschen.“

Ich nicke höflich. „Ich weiß, was du meinst“, sage ich. „Aber ich glaube, dass wir eigentlich nur den Rassismus der modernen Gesellschaft internalisiert haben.“

„Ja, Jacinta“, sagt er. „Das wird es gewesen sein.“

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