Vögel ohne Schutz

Seit Jahren streiten sich Parteien, Bauern und Naturschützer um das Vogelschutzgebiet auf der Halbinsel Eiderstedt. Gestern kam der CDU-Landwirtschaftsminister mit der billigsten Lösung durch

von Esther Geißlinger

Kost‘ ja nix: Das war die wichtigste Botschaft, die Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher, nebenbei für Umweltschutz zuständig, gestern verkündete. Thema: Die Nachmeldung von Vogelschutzgebieten auf der Halbinsel Eiderstedt, in der Eider-Treene-Sorge-Niederung und in anderen Teilen des Landes an die EU-Kommission. Gestern nahm das schwarz-rote Parlament den Vorschlag des Landwirtschaftsministers an, heute soll die Meldung abgeschickt werden – damit hält Schleswig-Holstein den von EU und Bund aufgestellten Zeitplan ein.

Zuletzt Mitte April hatte Brüssel angemahnt, die Länder möchten doch endlich ihre Schutzflächen nennen. Schleswig-Holstein war, wie auch Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, direkt genannt und damit unter Druck. Denn wer Brüsseler Richtlinien nicht umsetzt, zahlt Strafe. Aber eben nicht sofort, beruhigte von Boetticher: Vor einem Zwangsgeldverfahren vergeht viel Zeit – Gelegenheit, nachzubessern.

Das könnte nötig sein, denn von Boettichers Vorschlag ist umstritten. Auf Eiderstedt, einer wichtigen Drehscheibe des Vogelzugs, sollen nur knapp 3.000 Hektar als Schutzgebiet ausgewiesen werden – von Boettichers Vorgänger Klaus Müller (Grüne) wollte rund 20.000 Hektar schützen. Auch in der Eider-Treene-Sorge-Region fallen die Schutzgebiete deutlich kleiner aus als von der Vorgängerregierung geplant.

Zu den neuen Zahlen kommt der CDU-Minister, indem er quasi freihändig festlegt, welche Vogelarten er schützen will und welche nur nebenbei mitgeschützt werden (siehe Kasten). Umweltverbände zweifeln, dass die EU das anerkennt.

Von Boetticher hielt gestern dagegen: „Das Konzept liegt lange vor, und es ist nie beanstandet worden.“ Darum schloss er einen Rücktritt auch aus, selbst wenn Brüssel die rote Karte zieht: „Ich sehe das gelassen.“

Gelassen blieb offenbar auch die Stimmung bei der gestrigen Kabinettssitzung – erstaunlich, denn SPD-Vertreter hatten mehrfach Bedenken geäußert. Aber gestern ging der Vorschlag einstimmig durch, und das sei „definitiv“ keinem politischen Kompensationsgeschäft – „ich kneife beim Vogelschutz die Augen zu, du gibst mir …“ – zu verdanken, sagte von Boetticher.

Nur „das Innenministerium“ habe sich zu Wort gemeldet: Ralf Stegner (SPD) habe auf „politische Risiken hingewiesen“. Das könne er sogar nachvollziehen, gab der Landwirtschaftsminister zu: „Wir wissen nicht genau, was die Kommission von uns will.“ Denn Brüssel ginge es „nicht um Hektar, sondern um Vögel“. Wie viel Schutz den europäischen Behörden ausreiche, sei vollkommen unklar. Also wird jetzt einfach mal gemeldet – und wenn es nicht reicht, wird das Bußgeld ja noch nicht fällig.