Wenn der Koran vom Himmel fällt

Der überarbeitete Rahmenplan für den Ethikunterricht in Berlin ist nun beschlossene Sache. Doch die LehrerInnen sind von dem „Philosophischen“ darin genervt: Sie vermissen praktische Ansätze und konkrete Methoden für das Fach, das sie ab dem kommenden Schuljahr unterrichten müssen

von EDITH KRESTA

„Was mache ich, wenn ein Schüler sagt, der Koran sei vom Himmel gefallen und ihr Christen habt die Bibel verfälscht“, fragt die Lehrerin einer Berliner Haupt- und Realschule mit 100 Prozent Ausländeranteil. Auf dem Diskussionsforum „Ethikunterricht und interkultureller Schulalltag“ des Berliner Integrationsbeauftragten wurde gestern keine Antwort auf die Frage der Lehrerin gefunden.

Zu Beginn des kommenden Schuljahrs wird an Berlins Schulen ab der 7. Klasse der Ethikunterricht eingeführt. Damit soll auch „der religiösen Vielfalt in der Einwanderungsstadt Berlin Rechnung getragen werden“. Eine Antwort auf die Frage der Lehrerin oder zumindest Ansätze sucht man auch vergeblich in dem überarbeiteten Rahmenplan für den Ethikunterricht.

Demzufolge lernt sich interkulturelle Kompetenz ganz leicht. Lakonisch steht darin: „Indem die Schülerinnen und Schüler die Unterrichtsthemen aus ideengeschichtlicher Perspektive betrachten, gewinnen sie Kenntnis von anderen Lebensformen. Sie werden sich der Relativität ihrer Sichtweisen bewusst, gewinnen interkulturelle Kompetenz und erkennen grundlegende Ideen, die sich in historischer und kultureller Vielfalt spiegeln, und reflektieren sie.“ Religionskundliche Ansätze werden in dem Rahmenplan jedoch bewusst umschifft zugunsten einer allgemeinen philosophischen Betrachtung, mit der Lehrer und Schüler nur wenig anfangen können. „Dieser philosophische Ansatz nervt“, schimpft eine Lehrerin, die sich gerade für den Ethikunterricht weiterbildet. Kein Wunder, dass die Lehrer das neue Fach als Bürde empfinden und sich mit den hohen Anforderungen allein gelassen fühlen.

Der Ethikunterricht, von vielen Lehren und Schulen gewünscht, wurde eilig eingeführt. Eine politische Entscheidung, ohne dass ein ausgereiftes Konzept dafür entwickelt worden wäre. Es fehlt an konkreten Hilfestellungen wie Unterrichtsmaterialien und Methoden. Es fehlen auch Konzepte, die an der schwierigen Alltagssituation vieler Berliner Schulen ansetzen und die hehren philosophischen Grundsätze auf diese Alltagserfahrung herunterbrechen.

Wie, fragt ein Lehrer, kommt man zu einem sozialen Lernen, wenn es an konkreten Handreichungen für die Lehrer fehlt? Dies, so der Integrationsbeauftragte Günter Piening, „müsse in der Praxis gelöst werden“. Allein auf das Engagement und die Initiative der Lehrer zu setzen ist sicherlich der einfachste Weg. Zu Recht steht von den Lehrern die Forderung im Raum, der Ethikunterricht dürfe kein politisch korrektes Low-Budget-Fach werden. Vor allem aber müsse man sich methodisch und praktisch mit der Frage auseinander setzen: „Was mache ich im Unterricht mit meinen schwierigen Schülern?“

Material für den Ethikunterricht bietet die 144-seitige Broschüre „Erwachsenwerden vor dem Hintergrund unterschiedlicher Religionen und Weltanschauungen“. Die Broschüre ist für 2 € bei der Bundeszentrale für politische Bildung erhältlich www.bpb.de/publikationen