Der Lust-Schreiber

„Schreiben bringt keinen Spaß, geschrieben haben bringt Spaß“, sagte einmal ein bekannter (lebender) Literaturkritiker, mit dem in einem Satz genannt zu werden Gerhard Henschel sich verbitten würde. Henschel freut sich schon beim Aufwachen auf den Moment, in dem er in seiner Schreibstube vor einem leeren Blatt Papier sitzt. Nein, „abringen“ musste sich der 51-Jährige sein schon jetzt monumentales Oeuvre nie, höchstens der knappen Zeit, als er noch junger Familienvater war, oder der knappen Kasse, als er noch keine Literaturpreise gewann.

Sich Gerhard Henschel in einem anderen Beruf vorzustellen als Schriftsteller, dürfte sogar ihm selbst schwerfallen, jedenfalls seit Fußballprofi keine Option mehr ist. Als 14-Jähriger gab er eine Familienzeitung heraus, mit 22 besuchte er ein Literaturseminar bei Walter Kempowski – beides deutete schon auf sein Hauptwerk hin, nach dem Briefroman „Die Liebenden“, in dem er den Briefwechsel seiner Eltern zu einem immens dichten Generationenportrait komponiert hat. Vom Kindheits- über den Jugend-, den Liebes- und den Abenteuerroman begleitet Henschel nun den Lebensweg seines Protagonisten Martin Schlosser seitdem. Gerade ist er beim Zivildienst angekommen und wenn es weiterhin zwei Schreibjahre und 500 Seiten für fünf Schlossersche Lebensjahre braucht, hat er ihn in 20 Jahren und 5.000 Seiten eingeholt. Aber ob der frühere Titanic-Chefredakteur das schafft, wenn er sich weiterhin mit der Bild anlegt, Tote Salons veranstaltet, taz-Wahrheitsseiten füllt, soziologische Abhandlungen verfasst, Zungenbrecher erfindet, Bob-Dylan-Autobiografien übersetzt und sich für verkannte Fußballer ankettet?

Als die Hamburger Morgenpost ihn einmal bat, seinen Lieblingsort in Hamburg zu beschreiben, wählte er den Axel-Springer-Platz, in dessen Nähe er damals wohnte, und brachte in dem Text einen Aufruf zum Bild-Boykott unter. Der Text blieb ungedruckt. Schon dafür gebührt Henschel der Nicolas-Born-Preis, den ihm das Land Niedersachsen gestern verliehen hat.  RLO