DIE SERBEN HATTEN RECHT
: Suche im Gorki

„Soll er doch wenigstens sein Hakenkreuz kriegen“, dachte ich

„Komm“, drängte der Besuch aus Belgrad, „jetzt gehn wir noch ins Gorki. Da soll ein Hakenkreuz an der Wand hängen.“ Ich willigte ein, weil mir der Besuch leidtat. Den ganzen Tag war er auf der Suche nach der Gedenktafel für Gavrilo Princip. Der serbische Attentäter von Sarajevo, der irgendwie den Ersten Weltkrieg ausgelöst hatte, war im Königreich Jugoslawien mit der Tafel geehrt worden. Als Hitler 1941 auf dem Balkan einmarschierte, ließ er die Tafel als Kriegstrophäe aus Sarajevo nach Berlin bringen.

„Letzte Woche waren in Belgrad Fotos von Hitler und der Tafel veröffentlicht worden“, erklärte der Besuch – und suchte im Keller des „Clubs der polnischen Versager“ und in der Garderobe des Zeughauses. Vergeblich. „Soll er doch wenigstens sein Hakenkreuz kriegen“, dachte ich und warf mich ebenfalls ins nächtliche Gorki-Getümmel.

Irgendwo auf einer Treppe traf ich eine Kollegin. „Hier soll ein Hakenkreuz sein“, flüsterte ich. „Das wüsste ich“, flüsterte die Kollegin zurück, „ich bin mit der Kuratorin befreundet.“ Armer Besuch aus Belgrad. Sollte er am nächsten Morgen ohne Gedenktafel und ohne Hakenkreuz nach Hause fliegen?

Also machten wir weiter und suchten das ganze Gorki ab. Wir fanden jede Menge politische Statements gegen Menschenhandel oder die EU, die Griechenland zur neuen Kolonie macht. Aber Hakenkreuz? Fehlanzeige.

Am nächsten Morgen, der Besuch war schon abgeflogen, kam eine Mail der Kollegin. „Die Serben hatten recht“, schrieb sie und hängte ein Foto an. Im Festsaal des Gorki waren Tische zu einem Hakenkreuz zusammengeschoben worden. Darauf Bierflaschen und härtere Sachen. Der serbische Künstler wolle so gegen den Nationalismus in seinem Land demonstrieren.

Ich habe die Mail sofort an den Besuch aus Belgrad weitergeleitet. Nun bin ich selbst auf der Suche nach der Gedenktafel. UWE RADA