Tresentanz zur Kaffeekranzzeit

POP Beim zweiten Sunday Fun Day im Monarch zeigt der US-amerikanische Disco-Melancholiker Dent May vollen Körpereinsatz, während das Publikum Kuchen aß und sich zwischendurch sogar massieren lassen durfte

Auf dem Tresen liegen Clementinen und Biobananen für die Musikfreunde

VON TIM CASPAR BOEHME

Der Sonntag gestaltet sich für ausgehfreudige Menschen immer attraktiver. Längst schon hat es unter Clubgängern nichts Anrüchiges mehr, am Ruhetag morgens nach dem Frühstück mit gestärktem Magen zum Tanzen zu gehen, um sich zwischen Hochleistungsfeiernden, die seit Freitagnacht ausharren, einigermaßen ausgeruht zu amüsieren.

Und Konzertfreunde müssen sonntags nicht zwangsläufig fürchten, den Wochenbeginn unausgeschlafen zu begrüßen, weil ihre bevorzugte Band den Anfang ihres Auftritts bis nach Mitternacht hinausgezögert hat: Zum zweiten Mal schon gab es im Monarch den arbeitnehmerfreundlichen „Sunday Fun Day“, bei dem die Konzerte am späten Nachmittag beginnen und vor Beginn der „Tagesschau“ enden.

Zu sagen, dass man es mit einem regelmäßigen Angebot zu tun habe, ist wohl ein wenig hoch gegriffen – die erste Ausgabe liegt schon ein Jahr zurück. Manche Dinge setzten sich eben erst allmählich durch.

Den Besuchern wurde der Sonderstatus der Veranstaltung denn auch eigens mit süßen Beigaben im Kaffeekränzchenstil verdeutlicht: Auf dem Bartresen lagen Clementinen und Biobananen für die gesundheitsbewussten Musikfreunde, den Bedenkenloseren wurde Kuchen kredenzt, und wer noch nicht so recht entspannt war, konnte sich mit einer Massage locker machen lassen.

Ein „Fun Day“ verlangt nach fröhlicher Musik, und da war der US-amerikanische Südstaaten-Crooner Dent May genau die richtige Wahl. Der freundlich-kauzige Musiker aus dem 11.000-Seelen-Städtchen Oxford im Staat Mississippi ist mit seinen 27 Jahren eine Ausnahmeerscheinung im Pop. Denn unter den vielen juvenilen Songschreibern mit offen zur Schau getragener Verehrung für das melodisch-harmonische Genie eines Brian Wilson oder Harry Nilsson ist Dent May wohl der unorthodoxeste.

Die Melancholie seiner Vorbilder verknüpft er ziemlich unverfroren mit Disco-und Funk-Elementen und wechselt hemmungslos zwischen den Genres. Sein Song „Let Them Talk“ vom aktuellen Album „Warm Blanket“ etwa beginnt mit einem Zitat aus David Bowies Disco-Hymne „Let’s Dance“, um kurz darauf abzubrechen und noch einmal ganz anders anzusetzen.

Das Material der Platte hatte Dent May, der seine Karriere zunächst mit exzentrischen Ukulele-Nummern begann, wie schon auf seinen beiden vorangegangenen Alben überwiegend im Alleingang eingespielt und sich hier und da von kundigen Nachbarn aushelfen lassen.

Seine Mischung aus zurückgelehnten Funk-Gitarren, freudig blubbernden Synthesizern und unaufdringlichen Drumcomputern steht dabei eher in der Tradition der Do-it-yourself-Elektronik. Auf die Bühne kam er hingegen mit einer eigens für die Tour zusammengestellten Band. Die unterstützte May im Monarch nun redlich an Synthesizer, Bass und Schlagzeug .

Der Tanzcharakter seiner Stücke ging durch diesen Transfer ein wenig verloren, man hatte oft den Eindruck, einer mehr oder minder funky Rockband zu lauschen. Hinzu kam, dass die Musiker entweder noch nicht ideal aufeinander abgestimmt waren oder einfach etwas mit dem Sound im Monarch nicht stimmte. Zumindest drohte Dent Mays Gesang gelegentlich hinter den etwas breiig im Raum schallenden Instrumenten zu verschwinden. Unter Umständen hatte er die Schwierigkeiten schon vorausgeahnt und sich daher vor seinem Auftritt an der Bar erst einmal einen Bourbon auf Eis genehmigt. Andererseits heißt einer seiner Songs womöglich nicht zufällig „I’m an Alcoholic“.

Ob es dem Whiskey oder dem Einsatz des Tontechnikers zu verdanken war, dass die zweite Hälfte des Konzerts klarer geriet, sei dahingestellt. So oder so war zum Ende hin eine deutliche Besserung zu verzeichnen. Dent Mays irgendwo zwischen den Vorzeigeheulsusen Brian Wilson und Elvis Costello angesiedelte Stimme kam zunehmend zur Geltung, auch die Songs wurden lässiger und versetzten mehr und mehr Zuhörer in Bewegung, wie von ihrem Schöpfer beabsichtigt.

Dent May selbst, der anfangs noch einigermaßen zurückhaltend hinter seinem Mikrofon gestanden hatte, zeigte dann im letzten Stück vollen Körpereinsatz, setzte sich erst auf den Bartresen, kletterte dann auf eine der Verstärkerboxen und warf sich schließlich dem Publikum wortwörtlich zu Füßen, ohne beim Singen auf dem Rücken außer Atem zu kommen. Man hätte ihm eine größere Bühne und einen besseren Klang für diese entwaffnend sentimentale Darbietung gewünscht.