„Es ist kaum zu fassen“

VORTRAG Sina Haetti referiert über rassistische Stereotype in modernen Kinderbüchern

■ studierte Soziologie an der Uni Hamburg und schrieb ihre Abschlussarbeit über Rassismen in Kinderbüchern.

taz: Frau Haetti, viele Kinderbuchklassiker arbeiten mit rassistischen Stereotypen. Sind die in der modernen Kinderliteratur immer noch anzutreffen?

Sina Haetti: Leider ja. Ich finde es immer wieder unbegreiflich, wie aktuelle Kinderbücher erscheinen können, in denen immer noch schwarze Kannibalen und bedrohte Weiße vorkommen. Es gibt eine leichte Besserung und aktuell auch eine lebhafte Diskussion – doch andererseits immer noch sehr seltsame Neuerscheinungen.

Die Diskussion beschränkt sich meist auf Bekanntes wie Pippi Langstrumpfs „Negerkönig“-Papa ...

Und selbst wenn man da den „Neger“ rausnimmt, bleibt die rassistische Konstruktion bestehen, dass ein Weißer auf Grund seiner Hautfarbe auf irgendeiner Insel den Kolonialherrn macht. Anders gesagt: Von Pippi Langstrumpf bliebe nicht viel übrig, wenn man das konsequent antirassistisch überarbeiten würde.

Was fällt Ihnen bei Neuerscheinungen auf?

Dass da immer noch sehr viele Stereotype drin stecken. Schwarze werden von Weißen gerettet, sind Adoptivkinder oder eben Kannibalen. Inuit haben immer Fellkappen auf dem Kopf und Robben in der Hand ...

Was spricht gegen eine Fellkappe auf dem Kopf, in den Polregionen?

Nichts – aber man könnte so einen Inuit auch mal in einer modernen Outdoorjacke zeigen. Das Problem besteht darin, dass eine heterogene Bevölkerungsgruppe auf ein Stereotyp reduziert wird. Die Deutschen wollen ja auch nicht generell als Lederhosenträger gezeigt werden, obwohl manche tatsächlich manchmal welche anhaben.

Wie steht’s mit explizit antirassistischer Kinderliteratur?

Selbst dort gibt es viel versteckten Rassismus. Zum Beispiel bei Rafik Schamis „Wie ich Papa die Angst vor Fremden nahm“: Da freunden sich eine weißes und ein schwarzes Mädchen an, das Weiße fürchtet, dass ihr Vater sie nicht zur Geburtstagsparty der Freundin lässt. Sie überredet ihn, sie gehen hin – und dort ist dann alles voller Trommeln, Trachten und Lanzen. Kaum zu fassen.INTERVIEW: HENNING BLEYL

Vortrag: 18 Uhr, Buntentorsteinweg 182, beim Verband binationaler Partnerschaften