Sex mit Eseln und Brausepulver

FESTIVAL Das Hong Kong Film Festival zeigt in Berlin einen Überblick über die Jahresproduktion der ehemaligen britischen Kronkolonie

Plötzlich musste man politische Tabus und ungeschriebene Regeln beachten

VON TILMAN BAUMGÄRTEL

Bis Mitte der 90er Jahre hatten Hollywood-Filme in Hongkong keine Chance. In den Top Ten der erfolgreichsten Filme waren ausschließlich lokale Produktionen. Das hat sich in den letzten Jahren gründlich geändert: Nicht nur der Filmgeschmack der sieben Millionen Einwohner der Stadt hat sich internationalisiert. Zur selben Zeit brach das Hinterland weg, das lange die Filmproduktion Hongkongs finanzierte: in den Staaten Südostasiens setzte sich zunehmend Hollywood durch.

Zugleich öffnete sich mit China ein riesiger Markt für die Filmindustrie Hongkongs, der allerdings nach ganz anderen Regeln funktionierte als denen, die die Produzenten kannten: Statt einfach Filme zu produzieren, von denen man sich einen finanziellen Profit versprach, musste man plötzlich politische Tabus und ungeschriebene Regeln beachten, das mächtige Filmbüro Chinas nicht durch subversive Plots sowie Horror- oder Sexfilme verärgern und mit Filmschaffenden vom Festland kooperieren. Seither setzt man – mit Filmen wie „Yip Man“ oder „Bodyguards and Assassins“ – immer stärker auf unproblematische historische Stoffe, die zwar exquisite Schauwerte bieten, aber oft Schmonzetten sind.

Was das Hongkong-Kino seinem lokalen Publikum nur noch selten bietet, ist das – wie es der Hongkonger Filmkritiker Perry Lam nennt – „einzigartige und unvergleichliche Vergnügen“, sich auf der Leinwand wiederzuerkennen. Neben den weltweit bekannten Martial-Arts- und Action-Streifen wurden in Hongkong immer auch Filme über die einzigartige Stadtkultur der Metropole produziert. Solche Filme können in Hongkong rasende Kassenerfolge werden, so wie Pang Ho-Cheungs „Vulgaria“, der an diesem Wochenende beim zweiten Hong Kong Film Festival in Berlin zu sehen ist.

Dieser Film trägt seinen Titel völlig zu Recht. In der Eröffnungsszene erklärt Filmproduzent Wai Cheung To (kongenial: Chapman To) einem Hörsaal voller Studenten seinen Beruf durch einen Vergleich mit dem Schamhaar. Tos finanzielle Lage ist so verzweifelt, dass er im Auftrag des Gangsterbosses Bruder Tyrannosaurus (Ronald Cheng) ein Remake eines 70er-Jahre-Softpornos mit der damaligen Hauptdarstellerin machen muss. Pangs böse Komödie spart nicht mit Seitenhieben auf die Filmindustrie Hongkongs: In einer Szene verdient ein Regisseur sein Geld damit, in einer illegalen Spielhölle mit der Kamera zu posieren, um der Polizei weismachen zu können, dass dort ein Film im Spielermilieu gedreht wird; in einer anderen denkt ein Special-Effects-Experte laut darüber nach, eine neue Masturbationsmethode patentieren zu lassen. Die schlimmsten Sauereien lassen sich zum Glück nicht aus dem Kantonesischen in englische Untertitel übersetzen. Aber schon die Andeutung von Sexualpraktiken, bei denen Esel und Brausepulver eine Rolle spielen, haben dem Film in Hongkong ein wohlverdientes „Category III“-Rating – also absolutes Jugendverbot – eingebracht.

Das Festival zeigt auch eine Reihe von Filmen mit historischen Stoffen: In „The Last Tycoon“, einer Art chinesischer „Der Pate“ über eine Mafiakarriere in den 30er Jahren, kehrt Superstar Chow Yun Fat endlich zum Dienst an der Waffe zurück. „Floating City“ rekonstruiert das Leben einer Familie, die in den 50er Jahren in einem Hausboot im Hafen Hongkongs lebt. Und in „Silent War“ spielt Tony Leung Chiu-Wai einen blinden Klavierstimmer, der während des chinesischen Bürgerkriegs als Spion für den Geheimdienst arbeitet.

Von dem im Ausland bekanntesten HK-Regisseur Johnny To Kei Fung ist leider kein Film im Programm. Doch der Thriller „Cold War“, der in Hongkong bei der Kritik und im Kino erfolgreich war, ist ein guter Ersatz: Während einer Entführung kochen in der Führung der Polizei die internen Rivalitäten hoch wie einst in Tos Klassiker „Breaking News“.

■ Hong Kong Film Festival: Hackesche Höfe Kino, 14. bis 17. 11.