Die kleine Wortkunde

Heute beginnt der Korruptionsprozess gegen Exbundespräsident Christian Wulff. Er soll sich von David Groenewold einiges bezahlt haben lassen: Hotel- und Babysitterkosten, 209 Euro für ein Abendessen und den Besuch auf den Wiesn. Groenewold soll Wulff dafür um eine Werbung für sein Filmprojekt gebeten haben. Ein anderer Freund Wulffs, Peter Hintze (CDU), wünscht sich nun „ein faires Verfahren, in welchem das Recht über die Stimmungsmache siegt“. Was heißt das?

FAIR wurde im 19. Jahrhundert aus dem Englischen ins Deutsche übernommen. Zuerst auch als Qualitätsbezeichnung „ausgezeichnet“ bei Warenangeboten üblich. „Fairness“ steht für moralisch einwandfreies, anständiges Verhalten – wobei die Bewertung dessen individuell und nicht gesetzlich geregelt ist.

Ist es aus Sicht des Freundes fair, dass er allein für gemeinsame Späße blechen muss? Ist es fair, dass die Babysitterin das fremde schreiende Kind ertragen muss, während die Eltern sich auf dem Oktoberfest vergnügen? Hat Wulff dem Rezeptionisten und dem Zimmermädchen im „Bayerischen Hof“ anständigerweise Trinkgeld gegeben? Warum bewegt sich Wulff persönlich für den einen Chefredakteur zum Telefon, wenn die taz doch auch so gerne an der Strippe plaudert? Das ist so gar nicht ausgezeichnet.

Das Wort „fair“ ist verbunden mit subjektivem Gerechtigkeitsempfinden. Ein fairer Prozess ist Wulff also nicht zu wünschen. Da könnte ja jeder kommen! Wir wünschen stattdessen lieber ein gerechtes Verfahren – den geltenden Rechtsnormen entsprechend. JULIA NEUMANN