ERIC BONSE ÜBER DIE EU UND DIE DEUTSCHEN EXPORTÜBERSCHÜSSE
: Stupser für den deutschen Riesen

Die EU-Kommission schreckt vor Strafen für Deutschland zurück. Dabei wären sie richtig

Service minimum. So nennt man es in Belgien, wenn die Behörden nur einen Notdienst anbieten. Service minimum leistet auch die Brüsseler EU-Kommission, wenn es um das krasse wirtschaftliche Ungleichgewicht und die chronischen deutschen Exportüberschüsse geht.

Obwohl Deutschland schon seit Jahren die großzügigen EU-Vorgaben bei der Leistungsbilanz verfehlt, wird erst jetzt eine Untersuchung eingeleitet. Und obwohl die Bundesrepublik bei den Exporten mittlerweile sogar China in den Schatten stellt, will die EU erst im Frühjahr entscheiden, ob dies Konsequenzen haben könnte.

Strafen? Wirtschaftskommissar Rehn nahm das Wort nicht einmal in den Mund. Dabei ist sonnenklar, dass die deutschen Überschüsse für die Defizite in Südeuropa mitverantwortlich sind. Deutschland ist kein Modell für die Eurozone, vielmehr saniert es sich auf Kosten der Krisenländer. Sanktionen wären daher angebracht.

Doch diese Kommission ist in der neoliberalen Ideologie gefangen. Überschüsse gelten in Brüssel, genau wie in Berlin, als Ausweis für wirtschaftlichen Erfolg, nicht als Problem. Deshalb ist auch nach der Prüfung keine Strafe zu erwarten.

Dennoch hat die Entscheidung der EU-Kommission ihr Gutes. Sie gibt all jenen Aufwind, die eine Stärkung der deutschen Binnennachfrage und mehr Investitionen fordern. Wenn Nachfrage und Investitionen anziehen, trägt dies zu einer ausgeglichenen Leistungsbilanz bei. Auch eine Liberalisierung der Dienstleistungen könnte helfen.

Bisher war dies bei den Koalitionsverhandlungen in Berlin kein großes Thema. Das könnte sich ändern. Der kleine, allzu sanfte Stupser aus Brüssel könnte helfen, ein wirtschaftspolitisches Umdenken zu fordern. Höhere Löhne, mehr Investitionen – das wäre die eine für Deutschland angemessene Reaktion.