Schwerstarbeit boomt

Die Zeitarbeitsbranche wächst: Immer mehr Menschen in NRW haben im vergangenen Jahr einen kurzen Job angenommen. „Das sollte eine Ausnahme bleiben“, sagen Wissenschaftler

von CLAUDIA KÖNSGEN

Die Arbeitslosigkeit ist auf einem Rekordniveau, aber eine Jobbranche boomt: Um 14 Prozent auf über 340.000 ist laut Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen (BZA) in Bonn die Zahl der MitarbeiterInnen auf Zeit 2005 im Vergleich zum Vorjahr in Deutschland angestiegen. „Kein Wunder“, sagt Thomas Läpple, Sprecher des BZA. So viel Flexibilität in der Personalwirtschaft habe ein Betrieb sonst nicht.

Doch ihr schlechtes Image eilt der Zeitarbeitsbranche voraus. Leiharbeiter müssten in manchen Betrieben „die Drecksarbeit“ erledigen, ohne Schutzkleidung, in großer Höhe oder giftigen Dämpfen ausgesetzt, sagt Nicola Hirsch vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Auch das Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik (IAT) kritisiert die Zeitarbeit. „Sie ist nur gut, um „einen zeitweiligen Arbeitskräftebedarf zu decken – etwa im Krankheits- oder Schwangerschaftsfall“, sagt Claudia Weinkopf vom Institut Arbeit und Technik (IAT).

Für den Arbeitgeber lohnt sich die Zeitarbeit. Zwar ist der Verrechnungssatz für jede Produktivstunde etwas mehr als doppelt so hoch wie der Stundenlohn, aber nur jede Produktivstunde muss bezahlt werden. Der Arbeitsvertrag wird zwischen Zeitarbeitsfirma und LeiharbeiterIn geschlossen, worin die üblichen Bestimmungen wie Kranken, Renten- sowie Unfallversicherung und der gesetzliche Kündigungsschutz enthalten sind. Auch Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Anspruch auf bezahlten Urlaub gehören zu den Leistungen.

Gerade wenn die Konjunkturlage gut ist, „stocken Unternehmen ihr Personal erstmal durch ZeitarbeiterInnen auf, um flexibel zu bleiben“, sagt die IAT-Direktorin. Besonders in NRW stieg im vergangenen Jahr die Zahl der ZeitarbeiterInnen von Januar bis Juni um über 15.000. Dieser Aufwärtstrend sei saisonbedingt, weil in dieser Zeit etwa StudentInnen vermehrt Jobs nachfragen. Das seien Hilfstätigkeiten wie Jobs am Fließband oder die Säuberung von Werkzeug in Stahlwerken.

Das Geschäft mit der Zeitarbeit ist nach Ansicht von BZA-Chef Läpple „attraktiver geworden“. Das liege an der Einführung von Tarifverträgen, die vor drei Jahren unter anderem zwischen BZA und der Tarifgemeinschaft Zeitarbeit des DGB abgeschlossen wurden. Darin sei ein geregelter Stundenlohn festgeschrieben worden. Der bewege sich zwischen sieben Euro für Hilfstätigkeiten und 16 Euro für Akademiker. Allerdings erhielten Festangestellte in der Regel bis zu einem Drittel mehr.

In Anbetracht der Tatsache, dass es vor Abschluss der Tarifverträge überhaupt keine einheitliche Bezahlungsbasis gab, sei das jetzt eine Verbesserung, findet Weinkopf. „Aber dahinter steckt auch Eigennutz der Zeitarbeiterfirmen und Einsatzbetriebe.“ Die Tarifverträge seien nur eingeführt worden, um die Durchsetzung von „Equal Pay“ und „Equal Treatment“ zu verhindern, wonach dem Zeitarbeiter die gleichen Arbeitsbedingungen und das gleiche Gehalt wie einem festangestellten Mitarbeiter zustünden. Das wäre den Arbeitgebern und Leihfirmen aber zu teuer geworden, räumt man auch beim BZA ein.

Schwarze Schafe in der Branche könnten durch den Tarifvertrag, durch den die Zeitarbeit nicht mehr auf 24 Monate beschränkt ist, ganz legal dauerhaft ZeitarbeiterInnen zum Niedriglohn-Preis beschäftigen, um Lohnkosten zu senken, sagt Weinkopf. Doch das sei die Ausnahme. „In 60 Prozent aller Fälle dauern Beschäftigungsverhältnisse weniger als drei Monate“.

Was die Zeitarbeitnehmer ansporne, sei die Hoffnung über diesen Weg zu einer Festeinstellung zu gelangen, glaubt Weinkopf. Das komme in 30 Prozent der Fälle vor. Auch für die nächsten Jahre sei ein weiteres Wachstum in der Zeitarbeitsbranche zu erwarten. Aktuell seien in der Branche Dienstleistungsberufe – mit 16 Prozent – stark nachgefragt, etwa in Pflegeberufen und Call Centern. Spitzen-Nachfrager sei aber nach wie vor das produzierenden Gewerbe, wie Automobil- oder Metallindustrie.