„Wer sich bemüht, bekommt Aufschub“

Betroffene sollen sich günstigere Wohnung suchen, sagt Norbert Siewers (CDU) vom Bochumer Sozialausschuss

taz: Herr Siewers, wie viele Zwangsumzüge sind in Bochum zu erwarten?

Norbert Siewers: Das kann ich ihnen nicht sagen, weil es keine Zwangsumzüge geben wird. Sowas gab es unter Hitler oder in Russland, aber nicht hier. Es gibt lediglich Aufforderungen zur Senkung von Mietkosten.

Laut den Demonstranten, die heute protestieren, ist der Zwangsumzug die Konsequenz aus der Aufforderung.

Der Aufforderung zur Kostensenkung kann entgegnet werden: Der Arbeitslosengeld II-Bezieher kann den Vermieter bitten, dass er die Miete senkt. Oder der Betroffene kann ein Zimmer untervermieten.

Es ist doch ziemlich unrealistisch, dass ein Vermieter freiwillig die Miete senkt.

Das stimmt nicht. Erfahrungen haben gezeigt, dass die Vermieter dazu bereit sind, den Mietern entgegenzukommen. Vor allem wenn die Betroffenen schon lange in der Wohnung leben. Oder wenn eine Arbeitsaufnahme in Sicht ist.

Und wenn das nicht funktioniert?

Dann muss sich der Betroffene eben eine günstigere Wohnung suchen. Und daran finde ich auch nichts Schlimmes: Die Arbeitslosengeld II-Empfänger werden nach dem Willen des Gesetzgebers so behandelt wie andere Menschen aus einfachen Einkommensverhältnissen. Bei diesen kann es auch passieren, dass einem die Wohnung mal zu teuer ist.

Aber gerade für ältere Langzeitarbeitslose ist es doch besonders schwierig, ihr Einkommen zu erhöhen.

Das ist der wahre Skandal an dem Hartz IV-Gesetz. Wer lange gearbeitet hat und nach spätestens 18 Monaten kein Arbeitslosengeld mehr bekommt, wird nackend ausgezogen bis auf geringe Rücklagen.

Und genau diese Menschen werden jetzt auch noch aus ihrem Wohnumfeld gerissen ...

Wo es auch höchst problematisch sein kann, ist bei Familien, wo Kinder den Kindergarten oder die Schule wechseln müssen. Aber so schnell passiert das nicht.

Was meinen Sie damit?

Wenn jemand eine Aufforderung zur Kostensenkung bekommt, hat er erst einmal sechs Monate Zeit, sich darum zu bemühen. Wenn er nachweisen kann, dass es ihm in der Zeit nicht gelungen ist, bekommt er eine sechsmonatige Verlängerung. Es wird niemand gezwungen umzuziehen, der keine passende Wohnung gefunden hat.

Was ist mit dem, der sich nicht bemüht?

Dem wird die Zahlung gekürzt auf die angemessene Höhe. Wenn seine Miete sehr hoch ist und er dafür aufkommen kann, ist das auch wieder suspekt. Wovon zahlt er das dann, von seinen 345 Euro? Da muss die Verwaltung natürlich nachfragen, ob die Person noch andere Einkünfte hat.

Was wird heute im Sozialausschuss entschieden?

Die CDU-Fraktion hat keine Mehrheit in Bochum. Aber wir werden vorschlagen, dass die Stadt bei einem Wohnungswechsel für einen Monat die doppelten Mietkosten ersetzt. Wir werden auch beantragen, dass die Obergrenze des Mietspiegels nicht nur um zehn Prozent, sondern um 15 Prozent überschritten werden darf.

INTERVIEW: NATALIE WIESMANN