WEST GERMANY
: Ohne Dum Dum Girls

Seltsam, alle It-Girls ignorieren mich

Wir waren noch im Raumfahrer. Die Bayern hatten das Spiel verloren, die härtesten Fans hatten bereits zum Whisky gegriffen und standen traumatisiert auf dem Gehsteig. Wir waren spät, das abbruchreife Treppenhaus hoch zum West Germany roch irgendwie nach Chlor. Das Konzert der Dum Dum Girls war ausverkauft, also musste sich unsere Gruppe teilen, weil ja nur einer von uns plus eins auf der Gästeliste stand. „Demnächst ein bisschen früher!“, mahnte der Mann mit der Liste, seltsame Aufforderung.

In der ostblocklangen Schlange zum Damenklo stand das hellblonde It-Girl vom Casiotone-Konzert vom letzten Jahr und ignorierte mich; in der Sauna, in der sich die Dum Dum Girls gerade eben von ihrer Zugabe verabschiedeten, stand das mir bekannte braunhaarige It-Girl von vor zwei Jahren, trug ein umwerfendes Hemd und freute sich nicht unbedingt, mich zu sehen. Die Dum Dum Girls sollen gut gewesen sein, meine Brille beschlug wie im Winter, die Luftfeuchtigkeit würde jedem Tropenhaus zur Ehre gereichen, die Menschen, hauptsächlich flippige AmerikanerInnen und Deutsche, die nicht ganz so flippig aussahen, stapelten sich quer.

Sie werden ihre Gründe haben, mich zu ignorieren, dachte ich dann im Freiluftbecken vulgo auf der Terrasse, während ich mit dem Bodenpersonal vor der Tür telefonierte. Mein plus eins nutzte seinen Stempel, um sich wenigstens die Platte zu kaufen, die Dum Dum Girls, keineswegs blond übrigens, veröffentlichen auf Sub Pop und machen glücklich machenden Motown Soul in Weiß mit Feedbacks und Jesus-And-Mary-Chain-Gitarren.

Die Schlange vor dem Klo wurde kaum kürzer, das wasserfreie Freiluftbecken war voll, wir traten die Flucht an. Eigentlich ein schöner Abend, vielleicht sogar der beste seit Langem, dachte ich dann mit gemischten Gefühlen im „Würgeengel“. Wirklich.

RENÉ HAMANN