Jukebox

Träume sind doch nur Schäume. Oder?

Manche Dinge sind so kitschig, dass man sie entweder ironisch brechen – oder noch ein bisschen kitschiger machen muss. Françoise Hardy schlug für ihr Lied „Träume“ (erschienen 1970 auf der gleichnamigem LP bei Philips) letzteren Weg ein. Die französische Star-Chanteuse hauchte Sätze wie „Träume, die bei Nacht entstehen und am Tag vergehen, sind meistens gar nicht wahr, weil sie unter den Millionen unserer Illusionen geboren sind“, ins Mikrofon. Und als wäre das – rein semantisch betrachtet – nicht schon dick genug, singt sie das Lied auch noch mit französischem Akzent und in einer Langsamkeit, gegen die ein Epos eine Kurzgeschichte ist.

Dass Kitsch, zumal großer Kitsch, immer auch eine Wahrheit in sich trägt, mag auch den französischen Regisseur François Ozon dazu gebracht haben, „Träume“ in seine Verfilmung von Fassbinders Theaterstück „Tropfen auf heiße Steine“ zu holen. Bis dahin hatte sich Françoise Hardy der Musik abgewandt, Bücher über Astrologie geschrieben und dann im Jahr 2000 ihr Comeback mit dem Album „Clair – Obscur“ geschafft.

Hardys „Träume“ setzt in Ozons Film just in dem Moment ein, als die transsexuelle Vera, Exgeliebte des Spießers Leopold, sich aus dem Fenster stürzen will – und scheitert, weil sie das Fenster einfach nicht geöffnet kriegt. Und spätestens da wird es knifflig: Endet ein Traum, wenn man das bisherige Leben als Illusion verstehen lernt, oder fängt er dann gerade erst an? Können Träume zerplatzen, oder gehen sie nur ineinander über? Hardys Lied „Träume“ jedenfalls hat über drei Jahrzehnte hinweg weitergelebt.

Der Kölner House-Produzent Superpitcher spielte es erst vor zwei Jahren für sein schönes Album „Here Comes Love“ neu ein. Charlotte Roche gibt darin ihr Debüt als Sängerin.

Ob man’s mag oder nicht, ist vermutlich keine Geschmacks-, sondern eine Glaubensfrage.

Andrea Edlinger