PROJEKT ZU RELIGION, GESCHÄFTSWELT UND URBANEM RAUM IM HAUS DER KULTUREN DER WELT
: Gebetsmühlenartiges Gestikulieren

Geht es um Autosugesstion? Um Erleuchtung? Um Ekstase?

Wir befinden uns in einem halb gefüllten Auditorium. Ein Mann mit Krawatte zieht ein schmerzverzerrtes Gesicht. Ein anderer wiederholt gebetsmühlenartig Sätze. Eine Frau im Blazer legt die Handflächen aufeinander, führt sie zum Mund. Neben ihr zuckt jemand ekstatisch bis epileptisch, ein Nachbar spricht in sein Headset, ein Dritter kniet wie in der Kirche nieder. Einer hält sich die Ohren zu. Es sieht aus, als ob Geschäftsleute kollektiv durchdrehen.

Der Zuschauer hört derweil rein gar nichts beim Betrachten der tonlosen Videoinstallation des niederländischen Künstlers Aernout Mik. Seine Arbeit „Speaking in Tongues“ ist von nun an noch bis zum 12. Januar im Haus der Kulturen der Welt (HKW) zu sehen. Miks Multikanal-Installation (siehe Bild) beschäftigt sich mit den Analogien zwischen Ritualen neuartiger religiöser Gemeinden und dem Gebaren der Geschäftswelt. Zeitgleich hält man im HKW noch bis heute den Kongress „Global Prayers. Erlösung und Befreiung in der Stadt“ ab – Miks Installation ist Teil des Symposiums. Der Kongress verhandelt gegenwärtige Manifestationen des Religiösen im städtischen Raum – man nähert sich wissenschaftlich und künstlerisch an.

Mik arbeitet dabei häufig mit Videomaterial ohne Tonspur, um die Aufmerksamkeit des Betrachters voll aufs Visuelle zu richten. In seinen nun zu sehenden „Zungenreden“ funktioniert dies sehr gut, da man sich das Geräuschlevel zu den dort dargestellten „Gebeten“ ständig dazudenkt. In seiner Videoinstallation wirken etwa Schauspieler Lars Eidinger (der in „Was bleibt“ von Hans-Christian Schmid mitgespielt hat) und Burghart Klaußner (bekannt aus „Das weiße Band“ von Michael Haneke) mit. (taz)

Aernout Mik – Speaking in Tongues und Global Prayers. Erlösung und Befreiung in der Stadt. Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Alllee 10, Tiergarten www.hkw.de