Rundum bebaut oder offen für alle

taz-Serie „Hafenstadt Berlin“ (Teil 1): Um die Zukunft des Humboldthafens ist ein heftiger Streit entbrannt

Lange Zeit war der Humboldthafen vergessen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Hafenbetrieb an der Invalidenstraße eingestellt, nach dem Bau der Mauer verlief die Grenze durch das trichterförmige Becken. Der erste Mauertote, Günter Litfin, wurde hier am 24. August 1961 auf der Flucht erschossen.

Das ist alles Vergangenheit. Berlins ältester Hafen – erbaut zwischen 1848 und 1850 – rückt mit der Einweihung des Hauptbahnhofs wieder ins Zentrum. Den Startschuss dafür hatte der Architekt Oswalt Mathias Ungers gegeben. Er siegte im Wettbewerb Hauptbahnhof Mitte der 90er-Jahre mit seinem Vorschlag, das Hafenbecken komplett zu umbauen. Eine leicht modifizierte Planung soll in Zusammenarbeit mit dem Liegenschaftsfonds demnächst „vermarktungsfähig“ gemacht werden, sagt dazu der Abteilungsleiter Städtebau der Stadtentwicklungsverwaltung, Hilmar von Lojewski.

Sein Kollege in der Abteilung Stadtplanung, Reiner Nagel, will dagegen noch einmal über die Pläne nachdenken. Er plädiert für eine offene Bebauung, die „nicht nur die erste Reihe erreicht“. Außerdem solle das Thema Wasser durch den Bau von Anleger, Pontons und Stegen ernst genommen werden.

Ganz auf das Wasser setzen schließlich Berlins Reedereien und die Industrie- und Handelskammer. Sie wollen einen gemeinsamen Anleger für alle Fahrgastschiffe bauen, den Museumshafen von der Mühlendammschleuse an den Humboldthafen holen und auch einen Anleger für Sportboote errichten. Vom Hauptbahnhof soll man künftig direkt zum Bootstörn umsteigen können.

Solche Visionen sorgen auch für Konflikte. Am Ende wird Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) entscheiden müssen, was sie lieber will: eine Art Pariser Platz mit Wasser in der Mitte oder einen öffentlichen Raum mit vielfältiger Nutzung.

Den Binnenschiffern wird’s egal sein. Sie nutzen den Hafen als Wasserstraße. Wer von der Oberspree flussab tuckert, muss am Lehrter Bahnhof nämlich rechts abbiegen. UWE RADA