LESERINNENBRIEFE
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SPD, Partei des Gemeinwesens

■ betr.: „Scheitern mit Ansage“, „Rot-Grün zieht Schlussstrich in NRW“, taz vom 22./23./24. 5. 10

Stefan Reinecke hat nun erneut die Hinterhältigkeit der Sozialdemokratie entlarvt – gut so? Aber für uns Sozis ist es nun mal nicht völlig unbeachtlich, wie die beiden deutschen Diktaturen des letzen Jahrhunderts gesehen werden. Das liegt daran, dass die Sozialdemokratie wie keine andere Partei unter beiden Diktaturen zu leiden hatte. Stefan Reinecke hätte sich von Kollegen Pascal Beucker auf die Höhe der Zeit bringen lassen können. Dieser hat in derselben Ausgabe auf die Ursachen der Unmöglichkeit eines rot-rot-grünes Bündnisses hingewiesen. Die Partei „Die Linke“ hat nämlich jede Verantwortung für einen Landeshaushalt abgelehnt. Die SPD ist aber seit ihrem Bestehen eine durch Verantwortung für das Gemeinwesen gekennzeichnete Partei. DIETRICH EINERT, Düsseldorf

Erziehungsberechtigte der Linken

■ betr.: „Die wollen den Staat kapern“, taz vom 22./23./24. 5. 10

Vor langer Zeit einmal Protestpartei, maulen sich die Grünen inzwischen zu Erziehungsberechtigten der Linken herab. Glaubt der Grünen-Politiker Herr Zion wahrhaftig, eine Fünf-Komma-sechs-Prozent-Partei wolle den Staat kapern, den Schießbefehl an der Landesgrenze zu Hessen einführen und die Mauer in Lüdenscheid wieder hochziehen? Grüne und SPD seien „entsetzt“ und „perplex“ über die Wahlaussagen der Linken gewesen, staatsträgt Herr Zion, und macht aus Rot-Grün ein hysterisches Elternpaar, dessen Tochter den ersten Freund mit nach Hause bringt.

Den Staat haben inzwischen, offenbar hinter Herrn Zions Rücken, ganz andere Herrschaften gekapert. Wie weit deren kapitale Macht bereits reicht, zeigt die medial gecoachte Linken-Neurose der rot-grünen Düsseldoofen. Doch wer im Keller der Linken plötzlich die Leiche Erich Honeckers ausbuddeln möchte, sollte im eigenen Haus lieber rechtzeitig alle Schaufeln wegschließen. In Hessen führten übrigens solche Grabungen schlussendlich zur Auferstehung des höchst real existierenden Roland Koch. Der lacht heute noch. Und Robert Zion? Gehört, nach eigener Aussage, dem linken Flügel der Grünen an. Spaßig. CHRISTIAN KÖNIG, Bingen

DDR und Kreuzzüge

■ betr.: „DDR rettet Rüttgers“, taz vom 22./23./24. 5. 10

Wenn die DDR Rüttgers gerettet hat, ob dann die Kreuzzüge Kraft retten? Mal sehen, ob Frau Kraft so konsequent ist, von Herrn Rüttgers den Austritt aus der katholischen Kirche zu verlangen, in deren Tradition die CDU in NRW noch mehr steht als in anderen Bundesländern, weil diese Kirche ja schließlich die Kreuzzüge zu verantworten hat? Ach so, die Kreuzzüge gingen ja gar nicht von nordrhein-westfälischem Boden aus, während NRW doch bis vor zwanzig Jahren ein Teil der DDR war. Dann ist das natürlich nicht vergleichbar.

ORTWIN ZEITLINGER, Berlin

Frau Kraft will Neuwahlen

■ betr.: „Scheitern mit Ansage“, taz vom 22./23./24. 5. 10

Ich glaube, Herr Reinecke, Sie vermuten noch zu ehrlich. Frau Kraft will nicht mit der CDU koalieren, auch mit ihr führt sie Gespräche nur zum Schein, die an der CDU scheitern sollen – und dann gibt es Neuwahlen! Die hoffen die SPD und die Grünen zu gewinnen. Gerade die Grünen hätten über das schnelle Scheitern mit der Linken viel trauriger sein müssen. So freiwillig gehen sie nur in die Opposition, weil sie nicht lange dauern wird. Wenn sie dann mit der SPD eine satte Mehrheit haben – und die Linke wieder draußen ist –, ist alles in Ordnung, so wie früher. WERNER SACK, Frankfurt am Main

Gegenseitiges Belauern

■ betr.: „Rot-Grün zieht Schlussstrich in NRW“, taz vom 22./23./24. 5. 10

Es ist niedlich, dass die Linke bereit war, auf einen chronologisch geordneten Stapel von SPD-Programmen zu schwören, dass die DDR eine Diktatur war, und die SPD es ihr trotzdem nicht glauben wollte. Aber sonst? Was wäre bei einer rot-rot-grünen Koalition rausgekommen? Selbst wenn die hiesige Linkspartei schon in der Verfassung wäre, inhaltliche landespolitische Ziele zu vertreten, hätte sie in den Koalitionsverhandlungen auf alle „radikalen“ (was so viel heißt wie: auf alle) Forderungen verzichten müssen. Dennoch hätte die Koalition unter dem Dauerbeschuss der CDU, der FDP, des rechten SPD-Flügels und der ihnen nahestehenden Presse gestanden. Rausgekommen wäre eine Koalition, die eine noch radikalere FDP-Politik betreiben würde als die jetzige FDP-geführte – und das mit dem Segen der Linkspartei, die dafür mit ein paar Pöstchen abgefunden würde und bei der nächsten Wahl in der Versenkung verschwände.

Das Glimpflichste, was wir erwarten können, ist eine Regierung, in der CDU und SPD einander belauern und sich gegenseitig beweisen müssen, dass sie so unsozial ja gar nicht sind.

Im Übrigen finde ich schade, dass die Aufarbeitung der DDR-Geschichte durch Bekenntnisse ersetzt wird. Das schmähliche Ende eines Gebildes, in das viele ehrbare Leute mal große Hoffnungen gesetzt hatten und das schließlich einfach pleite ging, weil es die eigenen Leute teils für doof, teils für potenzielle Verräter hielt, könnte manchen als warnendes Beispiel dienen – in Wirtschaft, Verwaltung, in den Staatskonzernen und nicht zuletzt in der SPD. GERHARD PAULI, Düsseldorf