Libeskinds Rückkehr

ARCHITEKTUR 20 Jahre nach dem Jüdischen Museum baut Daniel Libeskind wieder in Berlin: ein Wohnhaus – gegenüber dem BND

Der Mietspiegel sagt für diese Gegend an der Chausseestraße: „Wohnlage: einfach; Lärmbelastung: hoch“

VON ANNE HAEMING

Daniel Libeskind ist zurück in der Hauptstadt. Der 67-jährige US-Architekt, dessen Karriere erst vor gut 20 Jahren mit dem Bau des Jüdischen Museums in Berlin begann und der seither Hochhäuser in Südkorea, provokante Museen in Nordamerika und natürlich den Skyscraper am New Yorker Ground Zero entwarf, hat nun ein neues Projekt in der Stadt. Es ist: ein Wohnhaus.

Und zwar an der Chausseestraße, vis-à-vis der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND). Der Bau des sechsstöckigen Apartmentgebäudes soll im kommenden Frühjahr beginnen, im Herbst 2015 sollen die 73 Zwei- bis Vierzimmerwohnungen und das 170-Quadratmeter-Penthouse bezugsfertig sein. Die Entwürfe zeigen ein Haus in der typischen Libeskind-Handschrift: eckige Ausbuchtungen, zackig-schiefe Fenster und ein Dach, das dreieckig gen Himmel ragt.

Libeskinds Verhältnis zu Berlin ist schwierig – er, der in den späten 1980ern nach Berlin gezogen war, fühlte sich lange benachteiligt und beklagte sich, dass er zu entscheidenden städteplanerischen Ausschreibungen nicht eingeladen worden sei. Seine Idee für den Alexanderplatz scheiterte im Wettbewerb, sein Entwurf für ein Viertel an der Landsberger Allee gewann zwar, wurde aber nie realisiert. „Es mag sein, dass ich kein guter Architekt bin“, sagte er 1994 in einem taz-Interview, „aber ich lebe hier und hätte erwartet, dass man mir eine Chance gibt, wie anderen Berliner Architekten.“

Noch eine graue Wiese

Nun also: Libeskinds Rückkehr. Dahinter stecken die beiden Immobilienunternehmer Holger Rausch und Rainer Bahr, Letzterer bekannt wegen seiner Pläne zum Abriss des Pankower Belfort-Karrees. Es wird Libeskinds erstes Berliner Gebäude jenseits des Jüdischen Museums samt Innenhof und Akademie. Derzeit ist an der Ecke Chaussee- und Schwartzkopffstraße, an der das Haus entstehen soll, nur ein Bauzaun, eine graue Wiese, dahinter eine leere Fabrik mit kaputten Fenstern. Die Pläne zeigen hohe Räume, eingerichtet mit Designerlampen und Eames-Stühlen. Die Miete soll zwischen 10 und 15 Euro pro Quadratmeter kosten. Der Mietspiegel sagt für diese Ecke: „Wohnlage: einfach; Lärmbelastung: hoch“, Neubaumieten liegen hier bei rund 8,50 Euro.

Seit dem Bau des BND-Gebäudes mitsamt den Überwachungskameras rund um das riesige Areal hatte sich Zurückhaltung bemerkbar gemacht; es schien attraktivere Wohnviertel zu geben. Dabei hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung einst verkündet, der BND-Bau sorge für „eine deutliche städtebauliche Aufwertung, die sich auch auf Planungen und Projekte im Umfeld auswirkt“.

Dass das geglückt ist, scheint für Jan Kleihues, Architekt des BND-Baus, nun klar: „Die Tatsache, dass ein Investor entschieden hat, dort mit Libeskind zu bauen, zeigt, dass unser BND-Gebäude die Gegend aufgewertet hat“, sagt er. „Vor fünf bis zehn Jahren wäre keiner auf die Idee gekommen, dort zu investieren, das war eine Brache. Unser Bau hat die Lücke zwischen Wedding und Mitte geschlossen, das Viertel ist jetzt attraktiv.“ Die Entwürfe für Libeskinds Bau hat er schon gesehen: „Bei einem Gebäude, das so in den Vordergrund treten will, schaut man genauer hin“, sagt er, „da muss man sehr auf die Ausführung achten.“ Dass Libeskind, der bislang kaum Wohngebäude geplant hat, nun ausgerechnet damit nach Berlin zurückkommt, findet Kleihues „nicht besonders erstaunlich“ – Architekten entwürfen gerne Wohnhäuser. Die Gegend sei ideal, man sei schnell am Kanal, am Bahnhof, an der Friedrichstraße. Den Libeskind-Bau in dieser Ecke begrüßt er: „Ich finde es wichtig“, sagt Kleihues, „so etwas macht die Stadt lebendig.“

Libeskind selbst sagte in einem Interview, er wolle die Straße verschönern. Es sei wie bei David und Goliath, kommentierte er den Nachbarn BND: Ein kleines Haus könne eine Straße mitunter stärker beeinflussen.

Hier in der Oranienburger Vorstadt stand Mitte des 19. Jahrhunderts eine Maschinenfabrik neben der anderen und produzierte Dampfmaschinen. Mal sehen, ob mehr bleibt als noch eine gentrifizierte Ecke, wenn der Libeskind-Dampf verweht ist.