„In einem Tumult geendet“

Nach der Absage des taz-Salons zur Polizei-Gewalt melden sich die Autonomen in einem offenen Brief zu Wort. Die taz dokumentiert das Papier in Auszügen

Die taz lädt zu ihrem monatlichen Salon am 20. Mai ins Kulturhaus 73. Thema: „Polizei und Gewalt“. Einer der Diskutanten ist der Polizeigewerkschaftler Joachim Lenders.

■ „Autonome aus dem Schanzenviertel“ rufen im Internet dazu auf, den Salon aufzumischen und begründen das damit, Lenders keine Plattform bieten zu wollen. Der Staatsschutz sieht Lenders Sicherheit nur durch ein Aufgebot von 650 Beamten gewahrt.

■ Nachdem Joachim Lenders seine Teilnahme absagt, lässt die taz die Veranstaltung ausfallen.

Wir sind einige der, wie wurde es so schön formuliert, selbsternannten Autonomen aus dem Schanzenviertel. [...] Eine Redakteurin der taz beklagt im Artikel „Man nennt es Redefreiheit“ sogar, dass es in uns kein Gegenüber gäbe. Es entbehrt nicht einer ziemlichen Ironie, der fehlenden Anwesenheit bezichtigt zu werden, wenn gleichzeitig 680 Polizeibeamte in Bereitschaft gerufen werden, sobald man seine Teilnahme ankündigt?!

Es ist eigentlich sehr einfach, mit uns in Kontakt zu treten, denn oftmals versuchen wir, was uns bewegt, in den Zeitungsredaktionen unterzubringen. Doch leider müssen wir feststellen, dass sich das Interesse an Inhalten aus unserem Blickwinkel meist in Grenzen hält. […]

Nun haben wir festgestellt, […] dass dieses Ereignis nun abgesagt wurde, weil auch die Leute kommen wollten, über! die gesprochen werden sollte. […] Wir wollen nicht so tun, als würden sich unsere Vorstellungen wie so eine Podiumsdiskussion mit Lenders auszusehen habe, nicht von denen der taz unterscheiden. […] Wir mischen uns gerne ein und vermutlich wäre die Veranstaltung in einem amtlichen Tumult geendet. […] Redefreiheit hört auch im bürgerlichen Sinne dort auf, wo die existentiellen Rechte anderer verletzt werden. Wer glaubt, wir würden demütig zuhören, während Lenders autoritäre Phantasien auslebt, von einer Räumung der Roten Flora träumt und vom Krieg erzählt, der fordert keine Redefreiheit, sondern das Ende linksradikaler Gesellschaftsentwürfe. […]

Die taz hält es offensichtlich für notwendig, ihren journalistischen Auftrag für die Meinungsfreiheit dadurch zu erfüllen, jemandem, der bereits jede Lobby hat […] redaktionellen Raum zu verschaffen. […] Wir sehen Redefreiheit nicht als einen abstrakten Begriff zur Förderung rassistischer, sexistischer oder antisemitischer Foren, sondern selbst als Feld politischer Kontroverse, das […] als umkämpftes Terrain gesellschaftlicher Teilhabe sichtbar werden muss.

Gesellschaftliche Sprechorte sind nicht gleichberechtigt oder auf Augenhöhe. Welche Stimme haben Drogenkonsument_innen, Jugendliche aus Vororten oder abgehängte Hartz IV-Bezieher_innen: Die taz? Wohl kaum. Die lädt anerkannte Expert_innen wie Lenders, Fachkommissionen oder prominente Ansprechpartner ein. Wenn damit alles gesagt sein soll, empfinden wir das Schweigen im Kulturhaus 73, die mutwillig entstandene Lücke im Netz der Eitelkeiten, als echten Hoffnungsschimmer!