Noch ein Sargnagel für das Berlusconi-Lager

ITALIEN Mit der Rückkehr zur neu-alten Partei Forza Italia spaltet der Cavaliere das rechte Lager. Damit verliert er den Einfluss auf die Regierung. Ende des Monats droht ihm der Verlust des Senatorensitzes

Es gelang Angelino Alfano, 30 Senatoren und 27 Abgeordnete hinter sich zu scharen

AUS ROM MICHAEL BRAUN

Die Spaltung des Berlusconi-Lagers ist perfekt. Am Samstag vollzog der regierungstreue Flügel um Vizeministerpräsident Angelino Alfano gemeinsam mit den vier anderen Ministern der Partei der Freiheit (PdL) den endgültigen Bruch und verweigerte die Teilnahme an der Gründung der neu-alten Partei Forza Italia. Stattdessen hob der Alfano-Flügel eine eigene Partei aus der Taufe, die Nuovo Centrodestra, die neue Mitte-rechts-Partei.

Über Monate hatte Silvio Berlusconi das Projekt verfolgt, Forza Italia wiederzubeleben – jene Partei, mit der er 1994 in die Politik eingestiegen war und seine ersten Triumphe gefeiert hatte: eine rein auf seine Person zugeschnittene Truppe von Nibelungentreuen, die den Populismus in Italien lange vor anderen europäischen Ländern salonfähig gemacht hatte. So wurde die Gründungsversammlung am Samstag in Rom denn auch zur One-Man-Show. Nur Berlusconi hatte das Wort, und selbstverständlich wurde der Gründungsbeschluss für Forza Italia, der zugleich das Ende des Popolo della Libertà (PdL – Volk der Freiheit) bedeutet, einstimmig abgesegnet. „Ich bin glücklich über diese Einstimmigkeit und glaube, das ist ein gutes Omen für dieses Abenteuer der Freiheit, für deren Verteidigung wir uns mit diesem Votum einsetzen“, rief Berlusconi unter dem Applaus von rund 600 PdL-Funktionsträgern. Berlusconi polterte dann gegen die „freiheitsfeindliche“ Justiz und gegen die im Namen Europas auferlegten Steuern.

Eines aber war völlig neu auf der Veranstaltung. Die Einstimmigkeit kam nur deshalb zustande, weil die große Gruppe der Dissidenten um Vizepremier Alfano gleich gar nicht erschienen war und den Bruch vollzog, der sich schon seit dem Vertrauensvotum über die Regierung am 2. Oktober abgezeichnet hatte.

Berlusconi nämlich fordert seit seiner endgültigen Verurteilung zu vier Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung und zum Verlust seines Senatorenmandats den Auszug seiner Partei aus der Koalition unter Ministerpräsident Enrico Letta. Alfano sowie die vier anderen PdL-Minister verweigerten sich diesem Ansinnen jedoch schon im Oktober und erklärten seinerzeit, sie würden samt einigen Dutzend anderen PdL-Parlamentariern Letta auf jeden Fall das Vertrauen aussprechen; Berlusconi war daraufhin am 2. Oktober in letzter Minute eingeknickt und hatte auf das Misstrauensvotum verzichtet – damit den endgültigen Show-down verschoben.

Seine Linie ist eindeutig: Spätestens wenn der Senat, voraussichtlich am 27. November, mit seinem Votum definitiv den Mandatsverlust absegnet, will Berlusconi in die Opposition gehen. Diese Linie macht jedoch das Ministerlager im PdL nicht mit. Alfano erklärt zwar weiterhin, er stehe treu zu Berlusconi, seine Parteigänger würden auch selbstverständlich gegen den Mandatsverlust stimmen – davon aber müsse angesichts der schweren Krise des Landes das Schicksal der Regierung unberührt bleiben. Damit gelang es Alfano, 30 Senatoren und 27 Abgeordnete hinter sich zu scharen – genug, um der Regierung im Senat eine Mehrheit von 168 der 320 Sitze zu sichern. Schon am Freitagabend hatten sich die Alfano-Anhänger versammelt und die Gründung eigener Fraktionen sowie der Partei Nuovo Centrodestra zu beschließen.

„Verräter, Verräter!“, brüllten denn auch die Delegierten im Saal, als Berlusconi am Samstag Alfano erwähnte. Doch Berlusconi selbst war deutlich zurückhaltender: Er machte Alfano sogleich für die nächsten Wahlen ein Bündnisangebot, denn Italiens Rechte, so Berlusconi, könne nur vereint siegen. Doch der Termin für solche Wahlen rückt erst einmal in weitere Ferne; fürs Erste sitzt die Regierung Letta mit der Spaltung des Berlusconi-Lagers recht fest im Sattel.

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