Ende einer Katastrophengrube

BERGBAU Europas größter Nickeltagebau ist nach zahlreichen Umweltpannen pleite. Auf die finnischen Steuerzahler kommen riesige Sanierungskosten zu

STOCKHOLM taz | Böden und Gewässer in einem Umkreis von über 100 Kilometern sind mit Schwermetallen und Uran verseucht. In der Nickelmine Talvivaara in Nordost-Finnland wurden 97 Verstöße gegen Umweltvorschriften offiziell registriert. So gab es mehrere unkontrollierte Schlamm- und Abwasserfluten, bei denen sich Hunderte Millionen Liter Klärbrühe mit hohen Gehalten an Nickel, Kadmium und Sulfaten in angrenzende Seen und Bäche ergossen haben.

Doch nicht nur für die Umwelt ist Talvivaara eine Katastrophe, sondern auch wirtschaftlich: Am Freitag gab die Leitung des Minenunternehmens die vorläufige Einstellung der Produktion bekannt und stellte bei Gericht einen Antrag auf „Unternehmenssanierung“, eine Alternative zu einem Konkursverfahren.

Die Zahlungsunfähigkeit von Europas größtem Nickeltagebau mit rund 1.600 Beschäftigten hatte sich bereits bei der Veröffentlichung des Quartalsberichts Anfang des Monats abgezeichnet. Die Suche nach neuen Geldgebern blieb seither erfolglos. Das Management hofft nun, dass die Gläubiger im Rahmen des Insolvenzverfahrens einen Teil der Schulden erlassen und dass sich vielleicht doch noch neues Kapital auftreiben lässt, um den Grubenbetrieb wieder aufzunehmen.

Fehlende Kompetenz bei Konzern und Behörden

„Das wäre unverantwortlich“, warnt jedoch Sini Harkki von Greenpeace Finnland: „Es gibt nur eine Option: endgültige Schließung der Mine und eine ausreichende staatliche Finanzierung für die Umweltsanierung.“ In der erst 2008 eröffneten Grube hatte man mit dem so genannten „Bioleaching“ eine Technik erprobt, bei der Nickel mit Hilfe mikrobieller Laugung gewonnen wird. Dabei werden große Mengen schwermetallhaltiger Abwässer freigesetzt. Die dafür vorgesehenen Klärbecken waren jedoch technisch unzureichend. Überdies hatte man zu niedrige Niederschlagsmengen einkalkuliert. Fehlende Kompetenz bei der Grubengesellschaft wie auch bei den Genehmigungsbehörden sei mit schuld am unkontrollierten Austritt von 800 Millionen Liter Giftbrühe vor einem Jahr, so das Ergebnis eines vom finnischen Umweltministerium in Auftrag gegebenen Untersuchungsberichts.

Im Klartext, so der Sachverständige Juho Mäkinen: Man habe ohne wirkliche Risikoanalyse und genaues Verständnis der Technik den Betrieb begonnen. Oder in den Worten des grünen Umweltministers Ville Niinistö: Mensch und Umwelt seien in Talvivaara „einfach zu Versuchskaninchen gemacht“ worden.

Das Pikante daran: Der finnische Staat ist über seine Anteilsgesellschaft Solidium größter Eigentümer der Katastrophenmine. Dreht Helsinki den Geldhahn zu, ist Talvivaara endgültig am Ende. Und danach sieht es tatsächlich aus. Wirtschaftsminister Jan Vapaavuori erklärte am Freitag, Solidium werde kein Kapital mehr zuschießen. Neue Gelder müsse sich Talvivaara auf dem Kapitalmarkt suchen. Für ein Unternehmen, das die Technik nicht in den Griff bekommt und das aufgrund gesunkener Weltmarktpreise für Nickel zu teuer produziert, dürfte das schwierig werden.

Ein Konkurs aber würde für die Staatskasse eine Belastung von mehreren hundert Millionen Euro bedeuten. Nicht nur wegen der wertlos werdenden staatlichen Beteiligung – erst im Frühjahr hatte Solidium seinen Anteil erhöht. Darüber hinaus drohen Umweltsanierungskosten in noch nicht überschaubarer Höhe, für die die finnischen Steuerzahler aufkommen müssen. Ein Wirtschaftsforschungsinstitut errechnete bis zu einer Milliarde Euro. REINHARD WOLFF