Sparorgie in Kiel

HAUSHALT Die Regierungskoalition in Schleswig-Holstein legt ihre Sparpläne vor: Mit Personaleinsparungen will sie bis 2020 die Neuverschuldung des Landes auf Null bringen. Opposition kündigt eigene Konzepte an

„Es kippt niemand um“

Ministerpräsident Peter Harry Carstensen

Sie wirkten durchaus zufrieden mit sich selbst, die Männer, die gestern Mittag im Kieler Landeshaus vor die Kameras und Mikrofone traten. „Heute startet ein Zug“, sagte CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher. Wer bessere Ideen habe, möge sie präsentieren, forderte sein FDP-Kollege Wolfgang Kubicki und Ministerpräsident Peter Harry Carstensen war etwas enttäuscht, dass die Kanzlerin noch nicht gratuliert hatte.

Monatelang hatte eine „Haushaltsstrukturkommission“, besetzt von den Regierungsfraktionen und dem Finanzministerium, Sparpläne ausgearbeitet mit dem Ziel, die Neuverschuldung des Landes bis 2020 auf Null zu bringen. CDU und FDP wollen dafür die Landesausgaben jährlich um etwa zehn Prozent – das entspricht 125 Millionen Euro – kürzen. Heute berät das Kabinett über die nun vorgelegte Streichliste. Vor allem Personal will das Land abbauen: 5.300 Stellen sollen bis 2020 wegfallen, weitgehend durch „natürliche Fluktuation“, aber auch durch Vorruhestand und Abfindungen. Kleine Gefängnisse werden abgewickelt, Polizeidirektionen zusammengelegt, Verwaltungsposten nicht mehr besetzt. Die Funktionszulagen einiger Landtagspolitiker sinken, Minister müssen länger im Amt bleiben, um das volle Ruhegeld zu erhalten.

Größere Sparposten sind die Streichung des beitragsfreien Kita-Jahres – 35 Millionen Euro jährlich –, Kürzungen beim Straßenbau von 42 auf 30 Millionen sowie beim Landesblindengeld von 17 auf sieben Millionen Euro. Die Universität Flensburg soll die Wirtschaftsfakultät verlieren und die Medizinausbildung in Kiel konzentriert werden. Teilweise geht es um Beträge, die im Vergleich zum Schuldenberg von 25 Milliarden Euro geringfügig wirken: So entfallen 700.000 Euro für die Beratungsstellen „Frau und Beruf“, ähnlich hoch ist die gekappte Förderung für Betreiber von Biomasse-Anlagen. „Wir drehen an den kleinen Rädern, weil wir nicht so viele große haben“, sagte Kubicki.

Die Abgeordneten von CDU und FDP hätten die Vorschläge grundsätzlich positiv aufgenommen. Die Stimmung sei „eher friedlich“, meinte Kubicki. Alle seien sich einig, dass gespart werden müsse, befand Ministerpräsident Carstensen: „Beim Kleingedruckten haben wir dann Betroffenheit und Befindlichkeiten, auch bei den Abgeordneten.“ Dennoch ist Carstensen sicher, das Sparpaket im Parlament durchzubringen: „Es kippt niemand um.“ Schwarz-Gelb hat nur eine Stimme Mehrheit.

Die Opposition äußerte sich gestern zurückhaltend – die Details des Konzepts sollen geprüft werden, es wird Gegenvorschläge geben, die Grünen haben bereits eigene Ideen vorgelegt. SPD-Fraktionschef Ralf Stegner erklärte, es werde an den falschen Stellen und auch ungerecht gekürzt. Robert Habeck (Grüne) kritisierte den „closed shop“ der Beratung: Die Haushaltskommission habe „die Regierung gelähmt und die parlamentarische Debatte teilweise zur Farce werden lassen. Dieser Stil darf sich nicht bei den anstehenden Beratungen durchsetzen.“ Heinz-Werner Jezewski (Linke) nannte das Konzept „Irrsinn“: Die Vorschläge machten vor keiner tragenden sozialen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Säule Halt.ESTHER GEISSLINGER