DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Orgien auf Ketamin

WAS SAGT UND DAS? Paul Flowers ist Methodistenpfarrer und war Aufsichtsratschef der britischen Co-Operative Bank. Ein Video zeigt ihn beim Drogenkauf

Moral sei eine Wichtigtuerei des Menschen vor der Natur, schrieb einst Friedrich Nietzsche, dessen Sätze sich immer zitieren lassen – vor allem, wenn es um den Zwiespalt der Kollektivität geht: also den Abgrund des Priesters und den Zeigefinger seiner Schäfchen. Uns behagt es nicht, wenn jemand vom Guten predigt, weil wir uns dabei böse vorkommen. Sobald der Predigende aber (natürliche) Schwächen zeigt, werden wir selbst zum predigenden Kollektiv. Das weiß Margot Käßmann, und das wissen auch die Grünen.

Die Finanzwelt ist zwar nicht gerade für ihre hohen Wertmaßstäbe bekannt, doch gibt es auch dort Institute mit Prinzipien. So etwa die britische Co-Operative Bank, faire Kreditgeberin und engagierte Genossenschaftsbank. Deren Exaufsichtsratschef Paul Flowers ist nun heimlich beim Kauf von Kokain und Crystal Meth gefilmt worden.

Die rechtskonservative britische Wochenzeitung Mail on Sunday veröffentlichte das Video, in dem man sieht, wie Flowers im Auto mit einem Dealer verhandelt und dann 300 britische Pfund bezahlt. Zudem machte die Zeitung auch SMS des 63-Jährigen publik, in denen er sich damit brüstet, hintereinander Ketamin, Cannabis und Liquid Ecstasy konsumiert und die Party in eine „zweitägige schwule Orgie“ verwandelt zu haben.

Als skandalös gilt der Fall auch, weil Flowers seit 40 Jahren als Pfarrer in der Methodistenkirche arbeitet. Am Sonntag wurde er nun vorerst vom Dienst suspendiert, und die Schäfchen zerreißen sich das Maul über den enttarnten Scheinheiligen.

Dabei sollten es doch gerade diese Schwächen sein, die Flowers glaubhaft machen. Wer wünscht sich denn nicht einen Pfarrer, der weiß, wovon er spricht? Der sich auf Ketamin-Orgien einlässt, weil er die Natur akzeptiert. Mit „Natur“ meinte Nietzsche nämlich nicht Blumen und Bäume, sondern das Ursprüngliche am Menschsein: das Scheitern und Scheißebauen.

FAY