LESERINNENBRIEFE
:

Rote Karte zeigen

■ betr.: „Die Freihändler haben es eilig“, taz vom 18. 11. 13

Wer in diesem Bereich der EU-Kommission von Herrn Barroso, dem Erfüllungsgehilfen unserer Kanzlerin in der Emissionsfrage, ist eigentlich nicht industriegesponsert? Die geplanten Investorklauseln der sogenannten Partnerschaft gegenüber den dann entmündigten Vertragsstaaten, die diese vollständig in ihrer Handlungsfähigkeit entrechten und knebeln könnten und vermutlich sollen, sprechen eine genügend deutliche Sprache: sie sind nach europäisch-demokratischem Verständnis schlicht kriminell. Die gesamten Verhandlungen, im Wesentlichen von den hiesigen Beobachtern nicht durchschaubar angelegt, die auch noch den Datenklau von NSA beziehungsweise den Daten-Austausch verdichten und ordnen sollen, scheinen europa- und grundrechtsfeindlich zu sein und müssen abgebrochen werden. Vielleicht können die EU-Parlamentarier endlich mal in die Strümpfe kommen und der EU-Kommission und Kommissar Karel De Gucht die Rote Karte zeigen – jetzt und nicht erst vor der nächsten Wahl im Frühjahr, Herr Schulz?!

ERNST-FRIEDRICH HARMSEN, Berlin

Persönliche Vorlieben

■ betr.: „Von wegen neue Netzpolitik“, taz vom 14. 11. 13

Man mag das Internet als Teil der Daseinsvorsorge sehen, aber wer schreibt oder gar meint, dass das Internet „so wichtig sei wie Wasser oder Strom“, der scheint die Realitäten außerhalb des Internets nicht mehr zu bemerken. Wer kein Wasser hat, stirbt. Wer keinen Strom hat, unter Umständen auch. Wer aber kein Internet hat, hat es höchstens unbequem. Oder gilt als gestrig. Oder leidet unter den Entzugserscheinungen jeder Sucht. Diese Internetsucht und der törichte Glaube an die wunderbaren Möglichkeiten des grenzenlosen Netzes treiben dann solche ungeheuerlichen Blüten. Wasser, Nahrung, ein Dach über dem Kopf und ein gleichberechtigtes würdevolles Leben (für alle Menschen!): das allein gehört zur lebensnotwendigen Daseinsfürsorge. Der Rest – Nikotin, Internet oder High Heels – sind persönliche Vorlieben, aus welchen Gründen auch immer. Auch für das Recht auf diese Vorlieben sollte man jederzeit kämpfen, doch kaum mit der Behauptung des sonst drohenden Ablebens. Wie eben bei fehlendem Wasser oder fehlendem Strom.

GABRIELE GILLEN, Köln

Zu wenig hinterfragt

■ betr.: „Die Innenstädte gehen online“, taz vom 14. 11. 13

Der Artikel stellt eine Versorgung mit Internetzugängen über WLAN als „Fortschritt“ dar, der „Freiheit“ bringt. Das ist ein falscher Schein. Flächendeckende WLAN-Versorgung bedeutet auch flächendeckende Hochfrequenzbelastung. Die unabhängige Forschung weiß, dass elektromagnetische Strahlung schädlich ist, sehr schädlich. Geschäftstüchtige Medien stellen es anders dar, das ändert aber nichts an den Forschungsergebnissen.

Immer mehr Menschen fliehen aus den verstrahlten Innenstädten, weil sie es dort nicht mehr aushalten. Die Zukunft gehört Glasfaseranbindungen. Die taz sollte sich fragen, ob sie zu wenig hinterfragt hat. JOCHEN DIEFENTHALER, Memmingen

Es geht um ein Männerthema

■ betr.: „Mein Bauch gehört mir“ u. a., taz vom 16. 11. 13

Drei Beiträge in der taz Wochenendausgabe und alle lassen sich miteinander verknüpfen: Wie so häufig hat die Journalie Spaß, wenn Frauen sich zoffen, „Zickenkämpfe“ (Mein Beruf gehört mir. Alice Schwarzer gegen „die“ Prostituierten). Dabei geht es um ein Männerthema. Ich bin ein wenig ratlos, weil in der öffentlichen Diskussion zur Praxis der Prostitution in Deutschland fast nur Frauen zu Worte kommen.

Wo sind die Menschenrechts-, die Frauenrechtsorganisationen, die das Thema besetzen sollten, oder die Verbraucherschützer; wo äußern sich das entsprechende (Verbraucher-)Ministerium oder „die Männer“? Boykott war schon immer ein (von Kapitalismusbefürwortern) umstrittenes, aber sehr wirksames politisches Instrument. Der kapitalistische Markt regelt sich durch Angebot und Nachfrage. Ein Boykott wäre eine einfache Lösung, dann bräuchten Frauen nicht für ihre „Ware Körper“ geschützt werden.

Linear denken (Ursache – Wirkung) fällt uns in Deutschland leicht, eignet sich aber in den wenigsten Fällen für komplexe, systemische, historisch gewachsene Probleme. Damit setzt sich Frigga Haug in ihrem Artikel („Die Illusion vom Gemeinwesen“) auseinander: „Weil in den bisherigen Geschlechterverhältnissen Zustimmung zu herrschaftlichen Produktionsverhältnissen hergestellt wurde, dass die Ausschließung des weiblichen Teils als sinnvolles Leben legitimiert und von beiden Geschlechtern stets reproduziert wurde …“ Wenn wir an der Ware Prostitution (sprich Frau) etwas ändern wollen, dann sind so wohl beide Geschlechter gefragt.

Darauf nimmt Debra Satz in ihrem Buch „Von Waren und Werten“ („Sex und Liebe und der Markt“, taz vom 16. 11. 13) auch Bezug. „Ein Verbot liefere Frauen, nun kriminalisiert, nur stärker dem ‚Schutz‘ eines Zuhälters aus“. Sie schreibt aber aus einer US-amerikanischen, das heißt puritanischen Sicht zu der in ihrem Land fast überall verbotenen Prostitution.

Und wir? Die derzeit geführte Debatte, in der Frauen aufeinander losgehen und geschickt werden, scheint mir keine Lösung des Problems Frauenkörper als Ware – mollig und gleichzeitig gepanzert eingepackt in den Begriff Prostitution als Beruf – zu sein!

KARIN SCHÜLER, Bonn