REINER METZGER ÜBER DEN IWF UND DIE EUROPÄISCHE UNION
: Wohlfeiler Druck von außen

Mit dem IWF als Kontrollinstanz wird Europa aus der Krise nichts lernen

Die Staaten der Europäischen Union – und speziell des Euroraums – stehen vor einem Riesenproblem: Sie müssen ihre widerstrebenden Interessen unter einen Hut bringen, ohne das Instrumentarium dafür zu haben. Denn die Probleme sind sehr verschieden: Griechenland ist verschuldet bis zum Bankrott, Spanien kämpft mit einer Immobilienblase, Deutschland hat jahrelang die Löhne gedrückt und die Kapitaleigner glücklich gemacht, Großbritannien zog windige Finanzgeschäfte aus der ganzen Welt an und kämpft nun mit den Folgen.

Den Regierungen der einzelnen Staaten wie auch der EU-Kommission fehlt zur Bewältigung der Aufgabe jede Erfahrung, aber noch haben sie die Kompetenzen: Niemand hätte einen EU-Vertrag unterschrieben, in dem für solche Notfälle die nationale Souveränität in Wirtschaftsfragen aufgegeben wird.

Und jetzt ist die Krise da. Weil niemand ausprobiert hat, wie man auch ohne die üblichen Wachstumsraten wirtschaftet, muss es weitergehen mit dem frei fließenden Kapital. Und deshalb setzen die Regierungen, speziell die deutsche, auf die Experten in Sachen Krisenmanagement: die Volkswirte des Internationalen Währungsfonds IWF. Sie bieten das Regelwerk, das kein EU-Vertrag bietet. Sie haben Erfahrung im Durchsetzten von strengen Kreditvorschriften und kennen keine Abwahl durch empörte Wähler.

Der IWF setzt aber auch klare Prioritäten: Vorrang haben die Interessen der Anleger, also der Kapitaleigner. Die Wirtschaft muss nur weiterlaufen, um die Kredite möglichst vollständig zurückzuzahlen. So werden die Sozialstaaten Europas durch die wohlfeilen Helfer des IWF geschleift. Die IWF-Kriterien ersetzen die politische Diskussion. Weil es die Regierungen seit dem Ausbruch der Krise vor zwei Jahren versäumen, die reichlich mit Billionen ausgestatteten Kapitaleigner und die Finanzindustrie relevant an der Behebung des Schadens zu beteiligen. Mit dem IWF als Kontrolleur wird Europa aus der Krise leider nichts lernen.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 9