Spanien soll noch mehr bluten

KRISE Das Sparprogramm der Regierung reicht dem Internationalen Währungsfonds nicht: Spanien müsse den Arbeitsmarkt flexibilisieren und Sparkassen privatisieren

Der IWF interessiert sich nur für die Stabilität der Märkte, kritisieren Gewerkschaften

AUS MADRID REINER WANDLER

Die Sorge vor weiteren Problemen im europäischen Bankensektor hat die Talfahrt des Euro am Dienstag beschleunigt. Die Gemeinschaftswährung rutschte um fast 2 Cent auf 1,2182 US-Dollar von 1,2351 Dollar ab. „Der Euro wird durch eine Kombination negativer Nachrichten gedrückt“, sagte ein Devisenhändler. „Die Entwicklung bei den spanischen Sparkassen sorgt immer noch für schlechte Stimmung. Dazu kommen Gerüchte, wonach auch spanische Großbanken Probleme haben sollen.“

Die Sorge über die Entwicklung in Spanien führte zu höheren Risikoaufschlägen bei den zehnjährigen spanischen Staatsanleihen. Auch die Kreditausfallversicherungen (CDS) für die spanischen Bonds verteuerten sich. Das 65 Milliarden Euro schwere Sparpaket von Spaniens Regierungschef José Zapatero, das Gehaltskürzungen für Beamte, einen Investitionsstopp und ein Einfrieren der Renten beinhaltet, scheint an den Börsen also kaum Wirkung zu erzielen.

Schlechte Nachrichten für Zapatero kommen vom Internationalen Währungsfonds (IWF), der im Zuge der Griechenland-Krise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Akteur auf die Bühne der europäischen Finanzpolitik gehievt wurde. „Spaniens Wirtschaft braucht weitergehende, umfassende Reformen“, mahnt der IWF jetzt. Zwar seien die Sparmaßnahmen der richtige Weg, doch sei die Erholung der Wirtschaft des Landes „schwach und zerbrechlich“. Bei einer mittelfristigen Wachstumsprognose von nur 1,5 bis 2 Prozent verlangt der Währungsfonds nun eine umfassende Arbeitsmarktreform sowie die Privatisierung der Sparkassen.

Bei einer Arbeitslosenquote von 20 Prozent sei eine „radikale Reform des Arbeitsmarktes dringend notwendig“, heißt es im IWF-Bericht. Spaniens Arbeitsmarkt ist prekärer als im restlichen Europa. Jeder vierte Arbeitnehmer hat nur einen Zeitvertrag. „Um Festeinstellung zu fördern“, müsse die Regelung für Abfindungszahlungen bei Entlassungen „mindestens auf den europäischen Schnitt“ gesenkt werden, so der IWF. Gleichzeitig müsse der Arbeitsmarkt flexibilisiert werden.

Ein weiterer Schwerpunkt der IWF-Analyse gilt Spaniens Sparkassen. Die 45 regionalen Geldinstitute haben in den vergangenen Jahren mehrere hundert Milliarden Euro an Krediten an Bauwirtschaft und Wohnungskäufer vergeben. Nachdem die Immobilienspekulationsblase, die Spanien lange ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum bescherte, geplatzt ist, bleiben immer mehr Kunden die Ratenzahlungen schuldig. Die Sparkassen geraten so an den Rand des Bankrotts. Am Wochenende musste die spanische Zentralbank die von der katholischen Kirche beherrschte Sparkasse in der Provinz Córdoba, Cajasur, retten. Weitere Banken sind ebenfalls gefährdet.

Der IWF schlägt eine radikale Reform des Sparkassensystems vor. Die Kassen müssten der direkten politischen Kontrolle entzogen werden, indem sie für „Fremdkapital“ geöffnet und in „Aktiengesellschaften umgewandelt“ werden.

Um die geplante Senkung des Haushaltsdefizits von derzeit 11,2 Prozent auf 3 Prozent bis zum Jahr 2013 abzusichern, müsse Spaniens Regierung neben den Sparmaßnahmen auch die Steuereinnahmen erhöhen, fordert der IWF weiter. Dazu könnten „Steuervorteile reduziert, die Mehrwertsteuer und Sondersteuern erhöht“ werden. Zapatero hatte in der Vergangenheit immer wieder Steuergeschenke gemacht. So erhielten alle Spanier im Jahr 2008 und 2009 jeweils 400 Euro zurückerstattet. Die Vermögenssteuern wurde abgeschafft. Insgesamt verlor der Staat dadurch über 15 Milliarden Euro, die nun mit dem Sparpaket wettgemacht werden müssen.

Die spanische Wirtschaftsministerin Elena Salgado stimmte den Vorschlägen des IWF für eine Reform der Sparkassen und des Arbeitsmarktes „grundsätzlich“ zu, verlangte aber „Zeit für Verhandlungen“. Spaniens Regierung möchte die 45 Sparkassen zu 15 großen Instituten zusammenfassen. Verhandlungen für eine Arbeitsmarktreform zwischen Regierung, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften mussten immer wieder ergebnislos vertagt werden.

„Der IWF interessiert sich nicht für die reale Wirtschaft, sondern nur für die Stabilität der Märkte“, kritisieren die Gewerkschaften. Für den Fall, dass Zapatero eine Arbeitsmarktreform im Alleingang verabschiedet, drohen die Gewerkschaften mit einem Generalstreik.

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