Medienforum sägt Branchenzweig ab

Von Podcasting bis Handy-Fernsehen: Das heute in Köln startende Medienforum gibt sich total hip. Die Lage auf dem Zeitungsmarkt wird bei dem Kongress dagegen nicht thematisiert. Dabei wäre gerade das im Moment sehr wichtig

KÖLN taz ■ Alles da: Ob Podcasting, Weblogs oder Fernsehen via Handy – das Medienforum NRW, das heute Morgen mit einer Rede von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) in Köln beginnt, will dieses Jahr wohl besonders hip sein. Was zunächst nicht verwundert: Schließlich heißen Stehempfänge beim Medienforum auch „Get-Together“. Sonderbar hingegen ist, dass inmitten der Neuen Medien für einen Branchenzweig offenbar kein Platz mehr ist: für Printmedien. Keine Veranstaltung des dreitägigen Kongresses befasst sich mit dem gedruckten Wort, ganz so, als hätte die ausrichtende LfM Nova GmbH, eine hundertprozentige Tochter der Landesanstalt für Medien, Zeitungen gedanklich schon begraben.

Früher war das anders: „Ursprünglich lautete der Ansatz, alle Branchenteile zu bedienen“, sagt Kajo Döhring vom Deutschen Journalistenverband (DJV) NRW. So gab es einst sogar so genannte Zeitungstage. Die aber zwischzeitlich, so Döhring, „diesen Namen nicht mehr verdient hatten“. Und nun seien sie eben ganz weggefallen, obschon eine Rennaissance des Zeitungstages geplant gewesen sei. Mit Blick auf das Übergewicht der Neuen Medien sagt Döhring: „Natürlich hat das eine große Bedeutung – wir sehen ja, mit welchen Medien Jugendliche heute umgehen.“ Dennoch sei es ein Manko, dass Zeitungen bei einem Medienforum nicht mehr stattfinden.

Dass dem so ist, liegt nach Angaben des Zeitungsverlegerverbandes NRW (ZVNRW) vor allem daran, dass „wir mit der LfM Nova GmbH dieses Jahr nicht auf einen gemeinsamen Nenner gekommen sind“. So drückt es Udo Becker aus, Geschäftsführer des ZVNRW. Einigkeit herrsche aber längst darüber, das Medienforum im nächsten Jahr auf „neue Beine“ zu stellen. Was auch Nova-Chef Gernot Gehrke bestätigt: Die Gespräche mit dem Verlegerverband seien „aus verschiedenen Gründen nicht erfolgreich verlaufen“. Er selbst, sagt Gehrke, habe „große Lust, Print zu machen“ – im nächsten Jahr.

Dabei wäre der Zeitpunkt gerade jetzt ideal. Im Ruhrgebiet sterben die Zeitungsredaktionen wie die Fliegen. Doch wenn Ministerpräsident Rüttgers heute Morgen, punkt zehn Uhr, zu seiner „medienpolitischen Grundsatzrede“ anhebt, wird auch er die Zeitungslandschaft NRW allenfalls tangieren. „Aus nachvollziehbaren Gründen“, sagt NRW-Medienstaatssekretär Thomas Kemper (CDU). Schließlich liege der Schwerpunkt des Medienforums auf den Genres Film, Fernsehen und Internet. Das Zeitungssterben im Ruhrgebiet? Kein großes Thema, geschweige denn: ein Politikum. Kemper sagt, er habe Gespräche mit den Verlegern geführt. Allerdings ohne Erfolg. „Welche Handlungsmöglichkeiten hat denn die Politik, wenn für die Schließungen betriebswirtschaftliche Gründe ursächlich sind?“, fragt Kemper.

Die Opposition im Düsseldorfer Landtag hat derweil eine Große Anfrage an die Landesregierung gestellt, in der sie die Lage auf dem hiesigen Zeitungsmarktes erörtert wissen will. „Die vielfältige Zeitungslandschaft ist ein wesentliches Merkmal für unsere demokratische Gesellschaft“, sagt der medienpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Marc-Jan Eumann. So sei es eine gute Nachricht, dass die Folgen der Krise des Jahres 2002 überwiegend überwunden sind. „Gleichwohl stehen weitere Herausforderungen und Umbrüche an“, so Eumann. Im Mittelpunkt der Großen Anfrage sollen unter anderem Fragen nach der Zeitungsvielfalt und der wirtschaftlichen Entwicklung stehen – was genau den Kern der neuen Zeitungskrise in NRW trifft. Ob die Sache nun zu einem Landesthema wird? BORIS R. ROSENKRANZ

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