„Wir wären bereit für Neuwahlen“

Hessens SPD-Fraktionschef Thorsten Schäfer-Gümbel über den Rücktritt von Roland Koch und das Überleben des „Systems“ Koch

■ 40, ist Fraktions- und Landesvorsitzender der SPD in Hessen. Bei der Landtagswahl 2008 unterlag er im Wahlkreis Gießen II gegen Volker Bouffier.

taz: Herr Schäfer-Gümbel, muss es jetzt Neuwahlen geben?

Thorsten Schäfer-Gümbel: Ganz sicherlich ist das jetzt eine Situation, in der die Bürgerinnen und Bürger genügend Gründe hätten, um eine Neubewertung der politischen Lage zu bitten. Aber das müssen die Regierungsfraktionen entscheiden. Sie haben die Mehrheit.

Sie würden sich dann Chancen ausrechnen?

Wenn wir Neuwahlen hätten, wäre das Ergebnis der SPD deutlich besser als vor eineinhalb Jahren.

Wird es für Sie einfacher in der Opposition als Herausforderer des Nachfolgers von Roland Koch?

Es wird weder leichter noch schwieriger. Die Regierung war seit ihrer Wiederwahl völlig lust- und ambitionslos und hat bei den Megathemen Bildung und Energie total versagt. Wenn sie keine Lust haben, den Job zu machen, dann sollen sie zurücktreten und den Weg frei machen für Neuwahlen. Wir wären bereit.

Der Zeitpunkt des Rücktritts hat Sie überrascht – der Rücktritt an sich nicht?

Ich habe in den letzten Wochen immer gesagt: Koch geht eher früher als später.

Was machte Sie so sicher?

Der wesentliche Grund ist aus meiner Sicht, dass ihm die Kanzlerin sehr uncharmant den Stuhl vor die Tür gesetzt hat, indem sie ihn nicht für die Bundesbank berufen hat. Hier waren sich alle sicher, dass Roland Koch diesen Posten angepeilt hat. Und da Herr Koch ansonsten in Berlin nicht kooperations- und koalitionsfähig ist, hat er gesehen, dass ihn einfach keiner mehr will.

Also waren es eher bundes- als landespolitische Gründe?

Es war die Perspektivlosigkeit dort, gepaart mit der Amtsmüdigkeit hier. Jetzt holt er einen Konkursverwalter, der seine gescheiterte Politik verantworten muss.

Ist es jetzt schwieriger für die Opposition, sich zu profilieren?

Nein, es war nie die Person, sondern das System Koch. Im letzten Jahr sagte er, er wolle noch etwas fertigbringen. Heute meinte er, er habe es erreicht, nämlich eine stabile bürgerliche Mehrheit geschaffen. Sein einziger Gestaltungsanspruch war Macht. Und diesen hat er gnadenlos durchgesetzt. Volker Bouffier ist einer der zentralen Mitspieler in diesem System, insofern wird sich nichts ändern. Der Name wird ausgetauscht, das System bleibt.

INTERVIEW: ANNA LEHMANN