Eberhard Giengers wacklige Landung

Thomas Bach, der erste Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, muss ein schwaches Wahlergebnis seines Wunschkandidaten für den Stellvertreterposten mit dem Zuständigkeitsbereich Leistungssport zur Kenntnis nehmen

FRANKFURT dpa ■ Andere hätten drei Kreuze gemacht, ein Eberhard Gienger macht drei Fallschirmsprünge. „Das ist Entspannung für mich – Körper, Seele und Geist trainieren“, sagte der ehemalige Reck-Weltmeister, als nach der Zitterpartie eine Zentnerlast von ihm abgefallen war. Der Mann war froh und erleichtert, er hatte es geschafft: Multifunktionär Gienger ist jetzt auch Vizepräsident Leistungssport im neuen Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Dabei war der frühere Turner beim ersten Dreifachsalto seines Lebens auf sportpolitischem Parkett gerade noch zum Stand gekommen.

„Mit 63 Prozent der Stimmen kann ich gut leben. Wenn ich in meinem Wahlkreis einmal 63 Prozent kriegen würde, wäre ich überglücklich“, gab Gienger zu. Der 54-Jährige wackelte – aber er fiel nicht. 125 Gegenstimmen sind zwar kein gutes Argument für eine Schlüsselposition im zehnköpfigen DOSB-Präsidium. Doch die 249 Jastimmen bei der geheimen Wahl im Saal „Harmonie“ des Frankfurter Kongress-Zentrums reichten dem CDU-Bundestagsabgeordneten. Der Wunschkandidat des DOSB- Gründungspräsidenten Thomas Bach hatte gewonnen, die vom scheidenden DSB-Chef Manfred von Richthofen angestachelte Opposition verloren.

„In der vergangenen Woche habe ich mehr gelernt als im ganzen letzten Jahr“, gestand Gienger, nachdem das Abstimmungsergebnis verkündet worden war: „Das Ganze war für mich wie mein erster Dreifachsalto, den ich in meiner aktiven Zeit als Turner übrigens nie gestanden habe. Einmal bin ich nach einer Zweidreivierteldrehung in der Schnipselgrube gelandet.“

Dass der Vater von drei Kindern im Stab des neuen DOSB-Chefs Bach zum einzigen Wackelkandidaten wurde, musste sich Gienger selber zuschreiben. Mit bizarren Äußerungen zum Thema Doping in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hatte er die Opposition erst richtig auf den Plan gerufen. Er räumte nicht nur die zeitweilige Einnahme von Anabolika während seiner aktiven Laufbahn ein. Mit seiner Rechtfertigung, Anabolika seien 1976 zwar im Wettkampf, jedoch nicht im Training verboten gewesen, begab er sich in eine gefährliche Grenzwert-Diskussion. Auch, dass Anabolika im Turnen gänzlich ohne Wirkung seien, ließen Experten nicht so stehen.

„Da habe ich mir selber ein Ei gelegt“, gestand Gienger. „Ich habe eine Flanke aufgemacht, und die wurde voll ausgenutzt. Für diesen Fehler habe ich mit dem Ergebnis hier gezahlt.“ Zweimal hintereinander hatte sich der Weltmeister von 1974 und dreimalige Europameister bei Bundestagswahlen in seinem Wahlkreis Neckar-Zaber gegen den SPD-Kandidaten behauptet. Diesmal machte es der Mann aus Künzelsau spannender. Doch ohne die engagiert-emotionale Rettungsrede seines „Paten“, des geschäftsführenden Präsidenten des Deutschen Fußballbundes, Theo Zwanziger, hätte es vielleicht nicht gereicht.

Bei den „Kungelrunden“ in der Nacht formierte sich eine starke Opposition. Vor allem von Richthofen „zündelte“, denn der scheidende DSB-Chef hatte seine Favoritin, Schwimm-Präsidentin Christa Thiel, nicht durchsetzen können. Mit einer Rede vor den Landessportbünden war er dem Fecht-Olympiasieger Bach in die Parade gefahren. Aber auch der Freiherr konnte Gienger nicht verhindern. Nach rund 3.000 Fallschirmsprüngen ist er nun in der großen Sportpolitik gelandet – hart und nicht gerade mit einer Traumnote.