AMERICAN PIE
: Kaputter Bowler

NBA Andrew Bynums Knie werden wohl nie mehr gut funktionieren. Das ewige Center-Talent hat aber noch ein anderes Problem

Er war nie mit vollem Herzen und der nötigen Leidenschaft dabei – höchstens auf der Bowlingbahn.“ Das sind so Dinge, die derzeit über Andrew Bynum erzählt werden. Eigentlich nichts Neues, die Bowlinggeschichte, sie ist zum Symbol für den Karriereverlauf des 2,13-Meter-Mannes geworden. Über ein Jahr lang musste der Center mit chronischen Knieproblemen pausieren, die komplette letzte Spielzeit ging an ihm vorbei. Dass er seine Blessuren beim Bowling im privaten Kreis noch verschlimmerte, ist trauriger Tiefpunkt und Running Gag zugleich.

„Meine Knie fühlen sich einfach nicht mehr so an wie früher“, gab Bynum zu Protokoll, just nach den ersten wenigen Minuten Einsatzzeit für die Cleveland Cavaliers in der aktuellen Saison. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich meine alte Explosivität zurückbekomme. Ich bin schon so weit, dass ich ans Karriereende denke.“ Dabei sollte der 26-Jährige eigentlich ganz andere Höhen erreichen.

Bessere Voraussetzungen für Erfolg hätte es nicht geben können. 2005 kam Bynum direkt von der High School in die große Welt zu den Los Angeles Lakers, mit 17 Jahren und 244 Tagen als jüngster Spieler der Liga-Historie. In der Saison 2007/08 gelang der Durchbruch, als Bynum zu einem der besseren Spieler der Liga bei den Rebounds und den geblockten Würfen wurde, zum wichtigen Spieler der Lakers um Ikone Kobe Bryant und Flügelspieler Pau Gasol.

Bynum sollte eine mitreißendere, verbissenere Variante von Dwight Howard werden, der seit Jahren besonders defensiv als bester Center der Basketballwelt gilt, aber bis heute oft Variabilität in der Offensive und öfter noch den nötigen Ernst vermissen lässt. „Der beste Center der NBA ist Andrew Bynum“, sagte Shaquille O’Neal über seinen Nachfolger auf der Position in der Mitte.

Ein kompletteres Gegenstück zu Howard schien gefunden – es blieb beim Wunschdenken. Viele kleinere und größere Verletzungen machten der erhofft rasanten Entwicklung einen Strich durch die Rechnung. Nur einmal seit seinem NBA-Debüt konnte Bynum die kompletten 82 Saisonspiele bestreiten, ansonsten verpasste er im Schnitt knapp 28 Partien pro Jahr.

Ironischerweise brachte 2012 ein umfangreiches Tauschgeschäft ausgerechnet Howard zu den Los Angeles Lakers. Bynum, mittlerweile als Risikofall verschrien, musste im Zuge des Wechsels nach Philadelphia – es wurde in beiden Fällen zum Fiasko. Howard wurde nie richtig heimisch bei den Lakers, zog nach nur einer Saison weiter und spielt nun bei den Houston Rockets. Bynum konnte für die 76ers wegen Problemen und komplizierten Eingriffen an beiden chronisch verletzten Knien keine einzige Partie absolvieren.

Als das Malheur beim Freizeitspaß publik wurde, war Bynum auch bei den Fans unten durch. Einzig seine zwischenzeitliche Frisurwahl, irgendwo zwischen Wischmop und Bob Marley, erregte Aufsehen, das Bild von Bynum in feinem Zwirn als Zuschauer auf der Bank bestimmte die vergangene Spielzeit. Der Klub verlängerte seinen Vertrag nicht, die Cavaliers erbarmten sich für einen vielleicht letzten Anlauf.

„Die Motivation ist nicht mehr da“, sagt Bynum nun zum möglichen verfrühten Schluss. Gerade sein Antrieb war und ist immer wieder Mittelpunkt von Diskussionen. Der unbändige Wille, es allen zeigen zu wollen, er scheint zu fehlen. So geriet Bynum einst mit Lakers-Institution Kareem Abdul-Jabbar aneinander. „Er war sehr schnell mit sich zufrieden“, erinnert sich Abdul-Jabbar, der in den 1980ern fünf Meistertitel mit den Kaliforniern gewann und vielen als bester Center der Liga-Geschichte gilt. Bynum hatte abrupt gemeinsame Trainingseinheiten – als Unterricht gedacht – abgebrochen. „Als er alles gelernt hatte, was ihm wichtig war, wollte er plötzlich meine Hilfe nicht mehr. Er war in seinen Launen sehr wechselhaft, wirkte mal top motiviert, kurz darauf wieder unkonzentriert und fahrig.“ Die Bowlinggeschichte passt in diesem Sinne ganz gut. DAVID DIGILI