Alles ist Fragment

WELT IM MODELLFORMAT Die Performance „Sehnsucht nach Familie Krause“ im Theaterdiscounter

Was fehlt, ist ein Autor. Die Theatergruppe „Schauplatz International“ hat sich ausführlich mit Kleinfiguren, mit Medientheorie und Videokameras, mit Hintergründen und Existenzfragen beschäftigt und daraus einen provisorischen Stückversuch gezimmert, der „Sehnsucht nach Familie Krause“ heißt und zurzeit im Theaterdiscounter aufgeführt wird. Wobei schon der Theaterdiscounter die Idee des Provisorischen atmet: Ein Theater ist das jedenfalls nicht, ein Discounter auch nicht, es ist ein Spielort, der sich im zweiten Stock des ehemaligen Fernmeldeamtes Ost befindet, in einer traurigen, toten Ecke von Mitte.

Und so wirkt hier, in diesem alten Amtsgebäude, die Inszenierung dieser Geschichte um die Familie Krause und die Welt der Modellfiguren aus dem Hause Preiser manchmal wie die Aufführung einer Projektgruppe, vielleicht im Rahmen eines Schulprogramms.

Worum geht es? Die Firma Preiser stellt Figuren für Modelleisenbahnlandschaften und ähnliche Gebilde her, Figuren und Welten, die den Geist der Fünfzigerjahre atmen. Diese Figuren stehen sinnbildlich für eine vermeintlich heile Welt, nach der sich jeder prekäre Kunstmensch im prekären Berlin und anderswo sehnt, heimlich oder nicht. Eine heile Welt, deren Anstrich ganz real in Ausbeutungsverhältnissen entsteht, nämlich im Niedrigstlohnland Mauritius.

Diese kleine Welt findet auf kleiner Bühne Platz, nämlich auf dem Tisch, der das Zentrum bildet und um den herum die fünf DarstellerInnen sitzen, manchmal gehen, sprechen. Die kleinen Spielfiguren aus dem Hause Preiser werden groß in Szene gesetzt, mit Videokameras abgefilmt, das Ganze wird auf eine Großleinwand projiziert: nette, kleine, moderne Idee, die aber auch die großen MenschendarstellerInnen recht statisch wirken lässt; denn alle fünf sind beständig damit beschäftigt, an den Figuren und Details, an den Kameras und Effekten herumzufummeln. Das Miniaturtheater im Theaterdiscounter will nicht richtig funktionieren.

Was zum einen daran liegt, dass die Ideen, die auch von Pollesch abgeschaut sein könnten, nie wirklich ausformuliert werden. Die DarstellerInnen bringen ihre Biografien ins Spiel, reflektieren aber keinesfalls die Produktionsbedingungen ihrer irgendwie bestimmt auch selbstausbeuterischen Performanz. Die Sehnsucht nach der heilen Welt wird benannt, die Gebrochenheit dieser Idee aufgeführt, aber nicht konsequent zu Ende gedacht. Genauso verhält es sich mit den tatsächlichen Produktionsverhältnissen der Modellfiguren: Sie werden auf einer afrikanischen Insel bemalt. Was das politisch bedeutet, wird höchstens angedeutet.

Und leider fehlt so etwas wie eine dramaturgische Idee. Nach guter Einführung zerfasert das Ganze in eine Aneinanderreihung von Miniszenen, die irgendetwas veranschaulichen sollen, selbst aber fragmenthaft bleiben. Kein Bogen, keine Entwicklung, nicht einmal ein guter Sog oder ein wuchtig ausagierter Diskurs.

Was dieser Inszenierung also fehlt, ist ein Autor. Das heißt, so etwas wie eine ordnende Hand, die die Fäden zu Ende spinnt und ausformuliert. So bleibt es bei der Darstellung einer lustigen Miniaturwelt und der etwas hilflosen Analyse, dass wir alle ja so fragmentiert sind. Das gilt übrigens auch für Familie Krause. So nett und harmlos sie auch ausschauen mag. RENÉ HAMANN

■ Weitere Termine: 28.–30. Mai, jeweils 20 Uhr, TD, Klosterstraße 44