„Boykott der Weltmeisterschaft“

In Schweden wird gefordert, dass die Nationalelf nicht nach Deutschland fährt. Es gebe keine Trennlinie zwischen legaler Prostitution und Menschenhandel

STOCKHOLM taz ■ Versucht Schweden mal wieder, die Welt zu missionieren? Die Kritik war massiv, in Schweden selbst, aber auch in Deutschland, als der Stockholmer Ombudsman für Gleichberechtigung, Claes Borgström, vor einem Monat die schwedische Nationalelf aufforderte, die WM wegen der damit einhergehenden Prostitution zu boykottieren. Woraufhin selbst Frauen wie etwa Brunhilde Raiser, Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, Borgström vorwarfen, die demokratisch zustande gekommene Gesetzgebung eines anderen Landes nicht respektieren zu wollen. Und darüber hinaus auch den Unterschied zwischen der in Deutschland legalen Prostitution und krimineller „Zwangsprostitution“ nicht begriffen zu haben.

Borgström wirft seinen Kritikern „Provinzialität“ vor. Fein säuberlich zerpflückt der Jurist die These von der vermeintlichen Trennlinie zwischen „normaler“ Prostitution und Menschenhandel. Nach dem Protokoll, das die Generalversammlung der Vereinten Nationen zum Thema Menschenhandel verabschiedet und das auch Deutschland unterschrieben habe, genügten „Elemente von Zwang, Drohung, Überredung, Betrug, Machtmissbrauch oder Ausnutzen einer Notlage“, um von Menschenhandel ausgehen zu müssen. Wobei ein eventuelles „Einverständnis“ des Opfers irrelevant sei.

Das meiste, was in Deutschland als legale Prostitution vor sich gehe, sei nach dieser UN-Definition Menschenhandel. Jeder Versuch, legale von illegaler Prostitution zu trennen, sei somit weitgehend zum Scheitern verurteilt. Und da ein Sexkunde schon gar keine Möglichkeit habe, festzustellen, ob er es mit einer Prostituierten zu tun habe, die solcherart Zwangselementen ausgesetzt sei, entlarve sich die deutsche Gesetzgebung als Augenwischerei. Schweden, wo Sexkäufer seit 1999 kriminalisiert werden, mische sich nicht in innerdeutsche Angelegenheiten ein, wenn es einen Boykott fordere. Denn schließlich handele es sich beim Menschenhandel um ein internationales Problem. Ein Engagement gegen Trafficking, egal wo der Menschenhandel vor sich gehe, sei daher nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht.

REINHARD WOLFF