Quergeister aus Halle und Berlin

DDR-SUBKULTUR In Halle eröffnet eine Ausstellung zur Künstleropposition des „Matthias“ Baader-Holst

20 Jahre ist er nun schon her, der Fall des „Matthias“ Baader Holst vor eine Straßenbahn in Berlin. Baader starb einige Tage später im Krankenhaus, als die DDR-Mark gerade zur D-Mark wurde. Geboren in Quedlinburg, hatte es Baader zunächst nach Halle verschlagen, in eine jener DDR-Städte, die Mitte der 1980er-Jahre vom Charme des Zerfalls geprägt waren. Hier gab es eine Künstler-, Punk- und Saufszene, anarchistische Oppositionsgruppen, deren Ende klar umrissen war: Knast oder (und) Westen.

Ein produktiver Boden, auf dem Baaders Tanz begann. Die Wahl seines Namenszusatzes „Baader“ war eine Reminiszenz auf den Dadaisten Johannes Baader und den RAF-Aktivisten Andreas Baader. In Halle erlernte er den Beruf eines Baufacharbeiters, jobbte als Aushilfspostbote und Bibliotheksmitarbeiter und fing an eigene Texte zu schreiben. Diese schmiss er seit 1983 in endlosen Wortkaskaden ratlosen Zuhörern vor die Füße oder sang sie als Frontmann einer Künstlerpunkband. Ab 1985 verlegte er mit Peter Winzer und Udo Wilke in einer Kleinauflage die Literaturzeitschrift Galeere. Die Galeere wurde wegen „Herausgabe nicht lizenzierter Druckerzeugnisse“ verboten. Baaders Texte, eine Montage aus politischen Schlagwörtern, erotischen Träumen und Zitaten, erschienen danach in literarischen Samisdat-Veröffentlichungen Ostberlins, wie „Entwerter/Oder“, „Liane“ oder „Bizarre Städte“.

Im Jahre 1988 macht sich ein anderer Quergeist, Peter Wawerzinek, genannt „ScHappy“, aus Berlin auf die Suche nach Baader, fand ihn in Halle und nahm ihn mit nach Prenzlauer Berg. Lesungen, Ausstellungseröffnungen und Konzerte der „Subkultur“ wurden gestört und gekapert. Sie mochten weder die Lederstiefel von Sascha Anderson noch die Wichtigtuerei der Klemmmappen-Lesungen oder Nichtrauchergalerien. Manchmal sang Baader dann doch mit seiner Band „Frigitte Hodenhorst Mundschenk“ (mit Bo Kondren und dem heutigen Keyboarder von Rammstein Flake Lorenz) bei Ausstellungseröffnungen, wälzte sich auf dem Boden und näherte sich, mit seinen Fingern in Rotweinlachen kreisend, unsittlich den Schuhen der Prominenz.

Baader arbeitete zur „Wende“ an seiner ersten Buchveröffentlichung und an Siebdruckeditionen mit Moritz Götze und Jörg Herold. Erich Maas und Uwe Warnke begleiteten ihn mit einer Kamera durchs Land, das Ergebnis hieß „Briefe an die Jugend des Jahres 2017“. DIRK TESCHNER

■ Ausstellungseröffnung: 28. Mai, 19 Uhr, Stadtmuseum Halle/Saale: „‚Matthias‘ Baader Holst – 1982 bis 1990“