Gaspreis-Nachlass einbehalten?

Bürgerinitiative erhebt neue Vorwürfe gegen swb: Die habe Preisnachlässe ihrer Lieferanten in die eigene Tasche gesteckt. Gas-Genossenschaft erstattet Anzeige wegen „Wettbewerbsbehinderung“

von Armin Simon

Einen Tag vor der Urteilsverkündung im Bremer Gaspreis-Prozess hat die Bürgerinitiative (BI) Gaspreis neue Vorwürfe gegen den Bremer Energieversorger swb AG erhoben. Diese halte seit Anfang des Jahrzehnts gewährte Preisnachlässe ihrer Vorlieferantin zurück. Im Schnitt habe die swb damit von jeder GaskundIn 470 Euro zu viel kassiert, sagte BI-Mitglied Jürgen Franke.

Erhärtet sieht Franke, bis 2000 Leiter der Energieleitstelle des Bremer Senats, seinen Verdacht durch einen Vergleich der Öl- mit den swb-Gaspreisen. Angeblich richten sich letztere nach ersteren: die so genannte Ölpreisbindung. Franke wollte es genauer wissen. Er brachte die Entwicklung beider Preise in den letzten zehn Jahren in Form einer Kurve zu Papier – und stellte fest: Der swb-Gaspreis lag stets über dem Öl-Vergleichspreis. Doch nicht nur das: Verlaufen die beiden Kurven zunächst immerhin parallel, nimmt der Abstand zwischen ihnen von Anfang 2000 bis März 2001 deutlich zu. Der Gaspreis läuft dem Öl-Vergleichspreis buchstäblich davon – und zwar nach oben.

In Zahlen: Lag der swb-Gaspreis von 1996 bis 1999 im Schnitt nur 0,26 Cent pro Kilowattstunde höher, ist die Differenz ab 2001 schon mehr als doppelt so groß. Frankes Vermutung: Die swb habe einen Preisnachlass ihrer Vorlieferantin Ruhrgas „nicht voll an die Kunden weitergegeben“.

Im Zusammenhang mit den Ökosteuern auf Energie stellte sich beim Erdgas nämlich Mitte 1999 eine Art von Doppelbesteuerung ein: Die damalige Mineralölsteuererhöhung ließ die Heizölpreise steigen, in der Folge stiegen auch die daran gekoppelten Erdgaspreise – auf die aber bereits Erdgassteuer erhoben wurde. Als Kompensation haben die Vorlieferanten der swb damals einen Preisnachlass in Form einer Sonderzahlung gewährt, und zwar in Höhe von 0,28 Cent pro Kilowattstunde.

Anfangs, so Franke, habe die swb diesen Preisnachlass auch ordentlich an ihre KundInnen weitergegeben, ab März 2001 allerdings nicht mehr. „Kaschiert“ habe der Energieversorger dies mit den in jenem Zeitraum sowieso stark steigenden Ölpreisen, mit denen er seine Gaspreis-Erhöhungen rechtfertigte.

Dem für Preise zuständigen Referenten der swb, Thomas Klein, habe er seine Berechnungen schon vor Monaten zur Verfügung gestellt, sagte Franke der taz. Klein habe ihm jedoch mitgeteilt, dass er derzeit dazu keine Stellung nehmen dürfe – Maulkorb des Vorstands. Hintergrund sei das laufende Verfahren vor dem Bremer Landgericht, in dem die letzten vier Gaspreiserhöhungen der swb zur Disposition stehen. „Die stehen mit dem Rücken zur Wand“, mutmaßt Franke. Klein war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Die swb will heute auf die Vorwürfe reagieren.

Die Bremer Energiehaus-Genossenschaft, die ab Herbst selbst als Gasanbieter in Bremen auftreten will, vermeldete gestern erste Erfolge. Man habe bereits mehr als die Hälfte der bis Herbst nötigen 500 Mitgliedern beisammen und erste Gespräche mit potenziellen Gaslieferanten geführt. Allein die swb habe sich, was eine Nutzung ihres Gasnetzes und ihres speichers in Lesum angehe, bislang alles andere als gesprächsbereit gezeigt. Man habe daher bei der Bundesnetzagentur Anzeige wegen Wettbewerbsbehinderung erstattet, teilte Energiehaus-Vorstand Wolfram Kaiser mit: „Wir haben gebeten, auf die swb einzuwirken, dass die Zuwiderhandlung gegen das Energiewirtschaftsgesetz mit sofortiger Wirkung eingestellt wird.“