Blinde systematisch verarmt

Aus Angst vor den bevorstehenden Kommunalwahlen wird der Wegfall des Blindengelds in Niedersachsen teilweise rückgängig gemacht. Eine Niederlage auch für die jetzige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen

Eine Altlast von Ursula von der Leyen scheint aus dem Weg geräumt: Nachdem die einstige Sozialministerin das einkommensunabhängige Blindengeld in Niedersachsen abgeschafft hatte, wird es ab 2007 wieder eingeführt. „Ich glaube, es ist ein guter Kompromiss, denn er tut beiden Seiten ein bisschen weh“, sagte Hans-Werner Lange vom niedersächsischen Blindenverband gestern nach der Einigung mit von der Leyens Nachfolgerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU).

Anfang 2005 hatte Niedersachsen als erstes Bundesland das pauschale Blindengeld in Höhe von 409 Euro pro Monat trotz heftiger Proteste gestrichen und für Blinde unter 27 auf 300 Euro gesenkt. Bedürftige bekamen ab einem Verdienst von 900 Euro im Monat eine gestaffelte Blindenhilfe vom Sozialamt.

„Noch einschneidender war die Vermögensgrenze von 2.600 Euro“, sagt Blindensprecher Lange. Aus Scham vor den Sozialbehörden und weil sie nicht an ihren Notgroschen wollten, beantragten viele Sehbehinderte gar keine Unterstützung mehr. Von den 11.400 Blinden im Land hätten nur 3.000 die Unterstützung in Anspruch genommen, sagt Lange. „Der Staat hat die Blinden systematisch verarmt.“ Auch ein Fonds für Härtefälle sei kaum angenommen worden. In der neuen Regelung soll es statt starrer Pauschalen längerfristige Hilfen geben.

Zum Glück für die Behinderten sind im September Kommunalwahlen. Nachdem die Landesregierung lange über die Zulässigkeit eines Volksbegehrens gebrütet hatte, „wollte sie nun wohl Frieden von dieser Seite haben“, sagt Lange. Immerhin war bereits ein Drittel der benötigten 600.000 Stimmen zusammen gekommen.

In welcher Höhe das Blindengeld nun wieder ohne Blick aufs Konto gezahlt wird, will Ross-Luttmann erst am heutigen Dienstag nach der Entscheidung durch Kabinett und Fraktionen verkünden. Der Betrag dürfte zwischen 200 und den 320 Euro liegen, die die Blinden gefordert hatten. ksc