Sportliche Fantasien

WM 2022 Während die Fifa über die versklavten Arbeiter diskutiert, werkelt Katar weiter an einer Zukunft als Sportgroßmacht

VON ANDREAS RÜTTENAUER

„Ich werde wiederkommen!“ Shaquille O’Neals Auftritt bei der „Aspire4Sport Conference“ in der katarischen Hauptstadt ist gut angekommen. Der Basketballmillionär, der in seiner aktiven Karriere in der nordamerikanischen Profiliga NBA viermal den Titel gewonnen hat, versprach den versammelten Sportnarren, wollte die Konferenz nicht verlassen, ohne dass er ein ganz großes Versprechen abgegeben hat. Er werde alles versuchen, um schon bald mit einem NBA-Team nach Katar zu kommen, und stellte ein Gastspiel der Sacramento Kings in Aussicht, deren Miteigentümer er ist. Ein Jahr müssen die Katarer indes mindestens noch aufdie Basketballstars warten. Vorher ist die riesige Halle, an der gerade in der Nähe von Doha gebaut, nicht fertig. Bilder von der Baustelle der Lusail Multi-Purpose Hall sind in den vergangenen Tagen um die Welt gegangen. Der noch arg rohe Bau der Arena in Lusail, einer Retortenstadt, die nördlich der Hauptstadt gerade aus dem Boden gestampft wird, ist zum Symbol für die Ausbeutung der 1,5 Millionen Arbeitsmigranten geworden, deretwegen das Ausrichterland der WM 2022 in der Kritik steht.

Für O’Neal sowie die anderen Teilnehmer der Konferenz in Katar war das kein Thema. Das Sportbusiness-Meeting in Doha beschäftigte sich mit dem weiteren Ausbau der Sportaktivitäten des Emirats. Der soll sich möglichst ungebremst fortsetzen und bei der Handball-WM in Winter 2015 einen ersten Höhepunkt erreichen. Damit für jeden wohlhabenden Einwohner Katars die Bedeutung des Sports, die ihm von der Herrscherfamilie al-Thani beigemessen wird, spüren kann, soll der Nationale Sportfeiertag, der jedes Jahr am zweiten Dienstag im Februar stattfindet, auf eine ganze Feierwoche ausgedehnt werden. Das hat der Präsident des katarischen Olympischen Komitees Sheich Saoud Bin Abdulrahman al-Thani auf der Konferenz, deren Hauptthema die Verwirklichung neuer Sportstätten und die Herausforderungen, die auf Gastgeberstädte großer Sportereignisse zukommen, verkündet. Dass sich auch deutsche Firmen von der Sportentwicklung des Landes gute Geschäfte versprechen, zeigt ein Blick auf die Ausstellerliste der Messe, die am Rande der Konferenz stattgefunden hat. Neben den Konzernen Bosch und Siemens präsentierte sich auch die Pfeifer Seil- und Hebetechnik GmbH in Doha, die die Stadiondächer der südafrikanischen WM-Arenen in Durban und Kapstadt errichtet hat.

Während in Doha über Verträge für die Errichtung und die Vermarktung neuer Sportstätten verhandelt wurde, hat sich eine deutsche Delegation auf den Weg nach Zürich an den Sitz des Internationalen Fußballverbands gemacht. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach hatte ein Treffen des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer, der auch dem Internationalen Gewerkschaftsbund vorsteht, mit Fifa-Präsident Joseph Sepp Blatter vermittelt. Es ging um die Arbeitsbedingungen auf den Baustellen von Katar. Die bezeichnete Blatter nach dem Treffen als „untragbar“, geht aber nach wie vor davon aus, dass „Katar die Situation sehr ernst nimmt“. Es war Gewerkschaftsboss Sommer, der nach dem Treffen sagte, dass sich die Arbeitsbedingungen ändern müssen, andernfalls könne es passieren, dass Katar die Fußballweltmeisterschaft „weggenommen“ wird. Die Vertreter des Fußballs hielten sich mit derart eindeutigen Äußerungen zurück. Nun soll Theo Zwanziger, das deutsche Mitglied in der Exekutive der Fifa, der bei dem Treffen in Zürich ebenfalls anwesend war, in Zusammenarbeit mit Gewerkschaftern und Menschenrechtsorganisationen überprüfen, ob Katar die Arbeits- und Lebensbedingungen der Fremdarbeiter wirklich ändert. Zwanziger hofft, schon bei der Sitzung der Fifa-Exekutive im März 2014 über Fortschritte in dieser Hinsicht berichten zu können.

Keine Veränderung hat sich derweil im Fall des französischen Profis Zahir Belounis ergeben, der nach wie vor auf ausstehende Gehaltszahlungen wartet und dem die Ausreise aus Katar verwehrt wird. In einem Interview mit der FAZ hat die englische Seglerin Tracy Edwards dem festsitzenden Fußballer geraten, auf seine Geldforderungen zu verzichten. Sie selbst sei einmal in einer vergleichbaren Situation gewesen. Sie sollte daran mitarbeiten, Katar zu einem internationalen Segelsport Hotspot auszubauen. Als die Pläne scheiterten, verweigerte man ihr die Ausreise. Edwards saß in Katar fest und hatte den Eindruck, sie werde rund um die Uhr überwacht. Letztlich war es der Emir von Katar höchstpersönlich, der ihre Ausreise ermöglichte, nachdem der ehemalige britische Botschafter in Katar sich für sie eingesetzt hatte. Auf das Geld, das ihr für die Entwicklung des Segelprojekts noch zustand, musste sie verzichten. Edwards Urteil über die Zustände in Katar fällt vernichtend aus. „Ich habe in vielen Ländern des Nahen Ostens Geschäfte gemacht, in Jordanien, im Libanon, in Abu Dhabi“, sagt sie. „Nirgends ist es so schlimm wie in Katar.“