DIE KOLUMNISTIN VERRÄT IHRE PRINZIPIEN UND SCHICKT IHRE DATEN AUF DEN STRICH
: Wer Geiz sät, wird Spam ernten

MEIKE LAAFF

Jenseits der 30 kommt irgendwann dieser Punkt. Der, ab dem es einem zu blöd wird, ständig auf seinen Prinzipien herumzureiten, die zwar irgendwann mal durchdacht waren, sich im Alltag aber als unglaublich nervig herausstellen. Und so unterdrückte ich sie, diese Bilder in meinem Kopf – von verhärmten Einzelhändlern, die „Wegen Geschäftsaufgabe geschlossen“-Schilder in die Schaufenster ihres Kleinkrempelladens hängen müssen, weil alle ihre Konsumbedürfnisse online befriedigen. Und die Bilder von geknechteten Logistik-Lagerarbeitern in den digitalen Versendehöllen gleich mit. Ich meldete mich an bei diesen garstigen Onlineshopping-Portalen.

24-Stunden-Lieferung statt „Hammwa nich“ – die Standardantwort in der Servicewüste Berlin. Produktvielfalt, soweit der Zeigefinger klickt. Diskrete Zustellung von Dingen, die einem zu spießig sind, als dass man sie auf die Ladentheke legen mag. Endlich all diese Nubsis, Knubbel und Aufhängedings kaufen können, für die mir immer die Wörter gefehlt haben. Ohne augenrollenden Verkäufer. Billiger. Bequemer.

So kaufrauschte ich mich durch. Kaufte ein Bett. Kaufte neue Saiten für die Ukulele, den ersten Roman des gerade verstorbenen Lieblingsautors. One-klick-purchase – und zack!, kann man seinen Impulskauf getrost verdrängen, bis es klingelt und der Lieferbote vor der Tür steht. Der hat den Nippes im Schweiße seines Angesichtes in den vierten Stock bugsiert, wie asozial wäre es jetzt, den Kram wieder zurückzugeben?

Wer Geiz sät, wird Spam ernten – das hat die klugscheißende Prinzipienreiterin in mir natürlich eh gewusst. Und trotzdem habe ich meine Kundendaten auf den digitalen Strich geschickt. Und bekam dafür die Quittung. Diese Mails, die mich mit kruden Rabättchen locken wollten, hätte ich noch einfach blocken können. Aber dann bestürmten sie mich auf jeder zweiten Internetseite mit Anzeigen für Betten und Lattenroste, die ich längst gekauft hatte. Schickten mir Kundenkarten. Erkundigten sich telefonisch nach meiner Zufriedenheit mit ihrem Service. „Bis gerade war ich sehr zufrieden“ antwortete ich. „Könnten Sie jetzt bitte meine Nummer löschen?“

Was die wohl aus all dem Kram schlussfolgern, den ich in letzter Zeit online gesucht habe? Algorithmen, die eine Frühschwangerschaft aus dem digitalen Kaufverhalten ablesen können, Facebook-Profile, aus denen sich berechnen lässt, wie wahrscheinlich ihr Besitzer homosexuell ist, Versicherungen, die ihren Kunden wegen veränderten Surfverhaltens immer konservativere Policen anbieten – möglich soll das alles schon sein. Und wer hat schon einen Überblick, wie viel Energie digitale Dienstleister in datengestütztes Marketing stecken? Vielleicht sind die Versuche der NSA, aus abgeschnorchelten Daten meine Verhaltensmuster zu stricken, dagegen ja Peanuts!

Montag Josef Winkler Wortklauberei

Dienstag Jacinta Nandi Die gute Ausländerin

Mittwoch Matthias Lohre Konservativ

Donnerstag Margarete Stokowski Luft und Liebe

Freitag Jürn Kruse Fernsehen

Ah, mal wieder paranoid, sagte mein Bruder, als ich ihm davon erzählte. Und pulte mir kurz später mit hochgezogener Augenbraue Malware vom Rechner. Ja, das ist peinlich: groß rumunken, aber dann nicht mal die eigene Technik im Griff haben.