Die musikalische Karibik, nach Berlin importiert von Daveman und Lord Mouse & The Kalypso Katz

Ja, so stellt man ihn sich doch vor, den lustigen Rastamann: Die Sonne im Herzen, den flockigen Rhythmus im Rücken und eine fluffige Melodie auf den Lippen. Mit der Zeile „It’s a sunny day“ eröffnet Daveman sein Debütalbum und mit einem gemütlich schaukelnden Reggae-Beat. Aber so unverschämt gut gelaunt diese Dopamin-Bombe auch scheint: Hinter dem Sommerhit verbirgt sich ein relativ differenziertes Hohelied auf das schöne Land, in dem wir leben. Davis Adedayo Eisape preist nämlich nicht Jamaika als die Insel der Glückseligen, sondern die liebe Tante BRD. Aus der Sicht eines zwar in Ostberlin geborenen, aber in Nigeria aufgewachsenen Immigranten, der vor neun Jahren zurück in sein Geburtsland kam, scheint ein funktionierendes Staatswesen mit Arbeitslosenhilfe und bezahlbarem Bildungssystem gar keine so schlechte Alternative, selbst wenn das Wetter natürlich besser sein könnte.

Im folgenden werden die Rhythmen bisweilen etwas herber und elektronischer, Davemans Toasting etwas Dancehall-lastiger, aber die eher freundliche Roots-Reggae-Stimmung verschwindet nie, auch wenn er entschieden „Stop Prostitution“ fordert und die Sex-Industrie anklagt. In „Stories“ rekapituliert er die Lügen, die zum Irakkrieg führten, und rappt dabei wie eine Wiedergeburt von Tupac Shakur. Daveman lobt seinen Jah und er flüchtet zu oft in die bequeme Geborgenheit der Religion und ihre einfachen Lösungen. Aber im Gegensatz zu einem Gentleman, der den Reggae von all seinen problematischen Inhalten säubert, hat Daveman zusätzlich ein Auge auf die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Deutschland. Das Ergebnis soll wohl arbeiten wie ein U-Boot: Kommt musikalisch daher wie ein Sommer-Sonne-Strand-Soundtrack, aber will dann textlich durchaus keinen Urlaub machen. Ob die Strategie funktioniert? Das ist dann wieder eine ganz andere Frage.

Eine ähnliche Methode der Aneignung verfolgen Lord Mouse & The Kalypso Katz. Schon der Bandname deutet es an: Auf dem namenlosen Erstlingsalbum wird der Calypso durchaus komödiantisch verwertet. Schön exotisch schunkelt die Musik aus Trinidad & Tobago, aber dazu singt der ursprünglich aus den USA stammende Bandleader brummend, dass man sich doch bitte die Hände waschen und die Fingernägel säubern solle, bevor man sich ans Tagwerk macht. Weitere Themen: ein mit Rechnungen überfluteter Briefkasten, der erfolglose Versuch, einen Job zu finden, und ein Ausflug nach „East Berlin“, mit grillenden Friedrichshainern inklusive.

Von den genretypischen Soli unterbrochen und unterstützt von einem säuselnden sechsköpfigen Frauenchor klingt das zwar erst einmal sensationell harmlos, aber grundsätzlich geschieht doch Vergleichbares wie bei Daveman: Auch hier wird ein karibisches Musikgenre den mitteleuropäischen Verhältnissen angepasst und mit der Sicht eines Immigranten auf die neue Heimat versehen. Nur dass der eine aber eben aus der Dritten Welt kommt und der andere aus der Ersten. THOMAS WINKLER

■ Daveman: „Daveman“ (SCM Hänssler)

■ Lord Mouse & The Kalypso Katz: „Lord Mouse & The Kalypso Katz“ (Cannery Row), live heute im neuen 3 Schwestern im Bethanien