STADT UND JÜDISCHE KÜNSTLERINNEN
: Sozial und spielerisch

Hajo Schiff

Nun sind IBA und IGS vorbei. Also wird ohne internationale Eventverpflichtung der Blick wieder frei auf niedrigschwellige urbane Arbeit. In einem gewöhnlichen einstöckigen Gebäude von 1952 auf der Elbinsel Wilhelmsburg wurde in den vergangenen fünf Jahren mit dem Projekt „Universität der Nachbarschaften“ ein urbanes Labor etabliert. Forschung und Lehre trafen sich in Workshops, Veranstaltungen und auf Festen mit Gestaltungspraxis und nachbarschaftlichem Austausch. Ergebnisse aus fünf Jahren Arbeit werden jetzt in Beiträgen von Urban-Design-Studierenden, Künstlern und Wilhelmsburger Gruppierungen zu sehen sein. Das Präsentationsprogramm besteht aus skulpturalen Situationen, filmischen Beiträgen, Performances, Vorträgen, Konzerten und abendlichen gemeinsamen Essen mit künstlerischen Tischgesprächen.

Eine Auswahl von Veranstaltungen: Sa, 23. 11., 18 Uhr: Ressourcen Wilhelmsburg. Bilder – Karten – Geschichten: ein Atlas. Der Urban-Design-Jahrgang 2012 der Hafencity-Universität Hamburg lädt zum Buch-Release.

So, 24. 11., 16 + 18 Uhr: Der polyphone Wilhelmsburger, eine Wanderung durch das Phantasma Wilhelmsburg mit Soundtrack. Live-Hörspiel von Olivia Wenzel mit Wanja van Suntum und Kathrin E. Dworatzek.

So, 24. 11., 20 Uhr: Konzert mit dem Sinto-Gitarristen und Komponisten Tornado Rosenberg.„Universität der Nachbarschaften“, Westwerk, Admiralitätstr., Di–Fr ab 15, Sa + So ab 12 Uhr. Bis 1. Dezember

Ganz individuell und spielerisch nähert sich Matthias Stuchtey der städtischen Verdichtung. Der 1961 in Münster geborene Bildhauer verwendet für seine Installationen Fundstücke wie Holzbretter, MDF- und Spanplatten, Apfelsinenkisten, Pappkartons und Möbelteile. Daraus baut der inzwischen in Berlin Lebende erst Modellräume und verbindet diese dann zu rhythmisch strukturierten Gebilden, die an Aluminiumrohren in Augenhöhe zwischen Decke und Boden eingespannt werden.

Diese gedrängten Wohnungen an der Stange regen in ihrer Position zwischen demonstrativer Form und verborgenem Inhalt zu vielfältigen Gedanken an: vom Entwurf einer Agglomeration exotischer Vogelhäuschen zur abstrahierten Vorstellung einer Favela, von der Vision recycelter Architektur für noch unbekannte Lebensformen zum freien kritischen Baukasten-Spiel.Nachtspeicher 23 e. V., Lindenstraße 23, Sa + So 15–18 Uhr. Bis 1. Dezember

Werke zweier Künstlerinnen, die als Jüdinnen vor den Nazis fliehen mussten, zeigt die Kunsthalle: „Line as Object“ ist Titel der Arbeit von Gertrud Goldschmidt – „Gego“ –, die 1939 nach Venezuela emigrierte und dort Skulpturen aus Draht und Metall herstellte. Dies ist die erste deutsche Retrospektive. Eva Hesse, die 1938 emigrierte und 1970 in New York starb, hat Polyester, Glasfaser und Latex zu Objekten gemacht. Fr, 29. 11., Kunsthalle, bis 2. März 2014