Keine Macho-Gesten

COUNTRY NOIR Die US-amerikanische Sängerin Neko Case hat im Country gefunden, was der Punk vermissen ließ

Die emotionale Intensität, nach der sie suchte, fand Neko Case auf alten Country-Platten

Nein, einfach eine Country-Sängerin, ob mit Alternative-Zusatz oder nicht, ist Neko Case nicht. In den heiligen Hallen der Country-Welt hat sie gar Hausverbot, seit sie sich bei einem Open-Air-Konzert der Grand Ole Opry in Nashville das T-Shirt auszog – obwohl sie darunter noch etwas trug und betonte, sie habe sich lediglich vor einem Hitzschlag schützen wollen.

Keine Punk-Geste also, auch wenn die ihr als ehemalige Schlagzeugerin in Punkbands nicht fremd sind. Schon in den 1980ern aber stießen ihr die abgedroschenen Macho-Gesten in der Szene sauer auf. Und auch selbstmitleidigen Indie-Jungs schlägt sie heute vor, einfach mal sie ranzulassen.

Die emotionale Intensität, die sie suchte, fand Neko Case auf alten Country-Platten. Zwar steht Country nicht nur hierzulande im Ruf, oft reaktionär und sexistisch zu sein, Neko Case aber entdeckte darin ein emanzipatorisches Potenzial. Der Süddeutschen Zeitung erzählte sie in einem Interview, sie habe damals erkannt, dass Country punkiger als Punk sei. Nicht zuletzt, weil Frauen, die Gitarre spielten und ihre eigenen Songs sangen, in der Country-Szene keine Ausnahme waren.

Bis sie sich auch musikalisch zur neuen Liebe bekannte, dauerte es aber noch ein paar Jahre. „The Virginian“, ihr erstes Album unter eigenem Namen, enthielt 1997 einige klassische Country-Songs, zum Teil aus eigener Feder, zum Teil aus dem Kanon.

Aber erst „Blacklisted“, 2002 erschienen und unter anderem mit Joey Burns und John Convertino von den Tejano-Helden Calexico aufgenommen, erregte auch in Europa Aufmerksamkeit und etablierte die immer noch gültige Basis für ihre Musik, eine Art Country noir.

Immer weniger scherte sie sich dabei um Dinge wie Strophe und Refrain. Bis heute sorgt zwar der makellose Harmoniegesang mit Bandkollegin Kelly Hogan für eine dezidierte Country-Farbe, eingerichtet hat sich Neko Case aber irgendwo zwischen Country, Folk und Rock.

Auf der Bühne hat sie schon Iron-Maiden-Songs gesungen, unlängst gab sie „Barracuda“ von Heart zum Besten und für ihr neues Album hat sie „Afraid“ von Nico aufgenommen.

Neko Cases aktuelles Album trägt nun den umständlichen Titel „The Worse Things Get, The Harder I Fight, The Harder I Fight, The More I Love You“. Darauf schlägt sich ihre Depression im Anschluss an den Tod der Eltern und der Großmutter in Songs nieder, die die emotionale Intensität großer Country-Songs haben.  ANDREAS SCHNELL

■ Fr, 29. 11., 20 Uhr, Hamburg, Mojo Club