Endlich was los hinter der Fassade

HOTEL AM ORANIENPLATZ

Der Kreuzberger Oranienplatz ist einer dieser liebenswerten Berliner Orte, die, je nachdem von welcher Seite man sich ihnen nähert, gänzlich verschieden wirken. Von Westen kommend wird man von grau-braunen Bürobauten brüsk empfangen, von Norden passiert man lockende Kneipen, von Osten das auffallende fünfstöckige Gebäudes eines einstigen Kaufhauses. Dort wird, wie am Dienstag bekannt wurde, ein Hotel einziehen.

Das könnte zum Problem werden in einem Stadtteil, der schon seit Langem über Touristenhorden jammert. Zumal der Platz so typisch kreuzbergerisch ist wie wenige andere Ecken: Hier haben seit einem Jahr die Flüchtlinge ihr Camp aufgeschlagen, hier starteten in Vor-Myfest-Zeiten viele Revolutionäre-1.-Mai-Demos. Und der Discounter, der einst in dem Exkaufhaus untergebracht war, wurde in diesem Zusammenhang mal umfassend geplündert. Auch passt dessen bunt bemalte und beklebte Fassade so gut ins Gesamtbild, dass kaum jemand das dahinter verborgene Haus vermisst. Es steht seit Jahren weitgehend leer, kurz genutzt wurde es zuletzt lediglich als Ausstellungsort einer Berlin-Biennale.

Damit könnte man es bewenden lassen. Aber wäre das sinnvoll? Und vor allem: Wäre das kreuzbergerisch?

Nur mal angenommen, der künftige Betreiber Dietmar Müller-Elmau, der auch ein 5-Sterne-Hotel in Bayern bewirtschaftet, hält Wort und schafft, wie er sagt, „kein Hostel und keine 5-Sterne-Unterkunft, sondern ein ganz normales Hotel“. Und angenommen, der Oranienplatz ist durch die nicht geräumte Besetzung für Flüchtlinge so attraktiv geworden, dass auch in den nächsten Jahren dort Zelte stehen – man könnte sich kaum ein lehrreicheres Aufeinandertreffen unterschiedlichster Welten denken, ganz im Sinne des sich gerne so unkonventionell präsentierenden Bezirks. Für solche Begegnungen sind Plätze in der Stadt da. Und nicht, um sich vor Fassaden in der Vergangenheit einzuigeln. BERT SCHULZ