Sisyphos auf Wohnungssuche

Künftig sollen jeden Monat 1.000 ALG II- Empfänger aufgefordert werden, sich eine billigere Wohnung zu suchen. Eine Stichprobe ergab: Es sind kaum passende Wohnungen auf dem Markt

von Gernot Knödler

Wer Stütze kriegt, soll nicht zu üppig wohnen. Der Senat hat deshalb im vergangenen Jahr 2.800 Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) II aufgefordert, sich eine billigere Wohnung zu suchen. Nach Einschätzung des Vereins Mieter helfen Mietern (MhM) und der Sozialpolitischen Opposition (Sopo) ist das Unsinn, denn es gibt kaum Wohnungen für ALG II- Empfänger auf dem Markt. Die Menschen würden ins Hamsterrad einer sinnlosen Wohnungssuche geschickt, wo sie doch alle Kraft darauf verwenden sollten, einen neuen Job zu finden, kritisiert Christine Tenbrink von der Sopo.

Wer ALG II bekommt – früher Sozialhilfe oder Arbeitslosenhilfe – dem erstattet der Staat auch die Kosten für seine Wohnung. Um Verschwendung vorzubeugen, hat die Stadt festgelegt, wie hoch die Bruttokaltmiete sein darf, die sie übernimmt, ohne viel zu fragen (siehe Kasten). Der Senat zahlt dann die Miete einschließlich der Nebenkosten, aber ohne Heizung. Wenn die Miete über dieser Grenze liegt, kommt eine Umzugsaufforderung von der Arge, der für ALG II- Empfänger zuständigen Behörde. Nach Informationen von MhM und der Sopo will die Arge künftig 1.000 solcher Briefe pro Monat verschicken.

Das ist eine ganze Menge. MhM und die Sopo beschlossen deshalb, den Wohnungsmarkt zu sondieren. Acht Mitarbeiter flöhten in der ersten Aprilwoche die Immobilienteile der Zeitungen und das Internet nach billigen Wohnungen. Das Ergebnis war mager: Es gab 23 Angebote für Ein-Personen-Haushalte, 42 für Drei-Personen-Haushalte und vier für Fünf-Personen-Haushalte. Andere Größen wurden nicht abgefragt.

Bei 24 Angeboten fragten Sopo und MhM nach, ob diese Wohnungen auch an ALG II- Empfänger vermietet würden. „Nur acht von 24 Wohnungen standen tatsächlich zur Verfügung“, sagt Renate Schumak von der Sopo, „hauptsächlich weil Arbeitslosengeld-II-Empfängerinnen von vielen Vermietern nicht gewünscht sind.“

Nach Recherchen des MhM-Beraters Marc Meyer haben die Mietobergrenzen für Stütze-Empfänger gerade bei kleinen Wohnungen nichts mit den Preisen zu tun, die in Hamburg verlangt werden. Kleine Wohnungen, wie sie die meisten Stütze-Empfänger suchen, gibt es immer weniger. Auch für Drei- und Fünf-Personenhaushalte seien Wohnungen mit einer von der Arge als „angemessen“ definierten Größe unbezahlbar. Bei Umzugsaufforderungen müsse die Behörde die Vergleichsmiete laut Mietenspiegel heranziehen und 20 Prozent draufschlagen – soviel wie bei einer Neuvermietung mehr verlangt werden darf.

MhM und Sopo verlangen, die Umzugsaufforderungen zu stoppen, es sei denn jemand wohnt in krasser Weise über seine Verhältnisse. Wer schon den Arbeitsplatz und die damit verbundenen Kontakte verloren habe, dürfe nicht auch noch aus seiner Nachbarschaft gerissen werden.

Überdies müsse geprüft werden, ob sich ein Umzug überhaupt lohne. Denn Umzüge sind teuer. Die Suche, Doppelmieten, die Telefonummeldung, eine Kaution, Anschaffungen, die Renovierung – all das kostet Geld, das eigentlich die Behörde bezahlen müsste. „Man würde viele Menschen gar nicht mehr auffordern können, umzuziehen, weil klar würde, dass nichts gespart wird“, sagt Mieterberater Meyer.